2.3.08

Prof. Dr. Wilhelm Massot: Sammlung Göschen Textil-Industrie III - Wäscherei, Bleichrei, Färberei un ihre Hilfsstoffe (kirja, osa I)




Sammlung Göschen
Textil-Industrie
III
Wäscherei, Bleichrei, Färberei un ihre Hilfsstoffe
von
Prof. Dr. Wilhelm Massot
MR 27 Figuren

[nimilehti]

Sammlung Göschen
Textil-Industrie
III
Wäscherei, Bleichrei, Färberei un ihre Hilfsstoffe
von
Dr. Wilhelm Massot
Professor an der Färberei- und Appreturschule Kredfeld
Zweite, umgearbeitete Auflage
Mit 27 Figuren
Leipzig, G. J. Göschen'sche Verlagshandlung
1911

[2]

Druck der Spamerchen Buchdruckerei in Leipzig.

[3]


Inhalt

Einleitung
1. Die historische Entwicklung der Färberei ...9
2. Begridd und Zweck der Färberei in modernem Sinne ...11
3. Der Zeugdruck...13
4. Begriff und Zweck der Wäscherei, Bleicherei und Appretur...13
5. Farbstoffe und Farben.....14
Erster Teil, Gespinstfasern, Chemikalien, Beizen, Farbstoffe...17
I. Die Gespinstfasern....18
A. Die Gespinstfasern des Pflanzenreiches ...18
a) Pflanzenhaare (Samenfrasern)...19
b) Bastfasern...21
Verhalten der Pflanzenfasern bei der Einwirkung von Wasser, von Säuren, Basen und von Bleichmitteln...26
B. Die tierischen Gespinstfasern....26
a) Die tierischen Wollen...29
b) Die Kunstwolle ....31
c) Die Seiden ...33
Verhalten der tierischen Gespinstfasern bei der Einwirkung von Wasser, von Säuren, Basen und von Bleichmitteln...36
Basen von Bleichmitteln...36
C. Die Kunstseiden ...39
II. Chemikalien und Beizen, welche zum Waschen, Bleichen und Färben der Gespinstfasern Verwendung finden...41
1. Die Chemikalien. Seifen. Fette. Bleichmittel 42-51.
[4]
2. Die Beizen. Metallbeizen. Organische Beizen. Lösungen und ihre Eigenschaften. Konzentrationsmessungen. Temperaturmessungen...51-62.
III. Die Farbstoffe ...63
1. Die natürlichen Farbstoffe ...63
a) Natürliche pflanzliche Farbstoffe, Indigo, Blauholz, Gelbholz, Krapp, Quercitron, Orseille, Katechu... 63-70
b) Dem Tierreiche entnommene Farbstoffe, Cochenille ...70
c) Mineralfarbstoffe ...70
2. Die künstlichen oder Teerfarbstoffe
a) Ausgangsmaterialien für die Gewinnung derselben ...70
b) Zwischenprodukte bei der Gewinnung con Teerfarbstoffen ...72
c) Kurzer Überblick über die Geschichte der Entwicklung der Teerfarbenindustrie ...74
d) Einteilung der Teerfarbstoffe nach chemischen Grundsätzen ...76
e) Betrachtungen über die Natur der Teerfarbstoffe ...80
f) Einteilung der Teerfarbstoffe nach ihrer Verwendung zu Färbereizwecken ...83
g) Das Diazotieren und seine Bedeutung für die Bildung von Azofarbstoffen ...85
h) Die Bezeichnung der Teerfarbstoffe zur Unterscheidung der Handelsmarken ... 85

Zweiter Teil. Das Waschen, Bleichen und Färben der Gespinstfasern.
I. Das Waschen und Bleichen ...86
A. Das Waschen und Bleichen der Baumwolle ...88
a) Behandlung von Baumwollgarn ...88
b) Behandlung von Baumwollstückware ...90
B. Das Waschen und Bleichen von Flachs ...94
C. Das Bleichen der Jute ...95
[5]
D. Das Waschen un Bleichen der Wolle ...95
a) Das Waschen der losen Rohwolle (Schweißwolle)...96
b) Das Waschen von Wollgarnen und Wollgeweben ...97
c) Das Karbonisieren der Wolle ...99
d) Das Bleichen der Wolle ...100
E. Das Abkochen und Bleichen der Seide. Das Assouplieren ...101
II. Das Färben der Gespinstfasern
1. Allgemeine Betrachtungen ...103
2. Die Theorie des Färbeprozesses ...104
3. Die Echtheit der Farben ...104
4. Färbeversuche im kleinen ...105
5. Das Färben im großen ...107
a) Die Herstellung von Farbstofflösungen ...107
b) Das Färben lose Fasern ...108
c) Das Färben von Garnen ...110
d) Das Färben von Stücken ...114
e) Wahl der Farbstoffe ...117
6. Das Färben mit Teerfarbstoffen
A. Das Färben der Baumwolle
a) Das Arbeiten auf ungebeizter Baumwolle. Direkt färbende Baumwollefarbstoffe. ...118
Die Schwefelfarbstoffe ...121
b) Das Arbeiten auf gebeizter Baumwolle. Basische Farbstoffe, Alizarinfarbstoffe ...122
c) Farbstoffe, welche auf der Faser gebildet werden ...127
d) Küpenfarbstoffe ...128
B. Das Färben der Wolle ...132
a) Basische Farbstoffe ...132
b) Saure Farbstoffe ...132
c) Benzidinfarbstoffe ...133
d) Beizenfarbstoffe ...134
a) Das Zweibadverfahren ...134
b) Das Einbadverfahren ...135
e) Indigofarbstoffe ...136
[6]
C. Das Erschweren und Färben der Seide ...136
a) Das Erschweren und Buntfärben der Seide ...138
b) Das Erschweren und Schwarzfärben der Seide ...139
D. Das Färben von Kunstseide ...141
7. Das Färben mit Naturfarbstoffen...141
a) Blauholz ...141
b) Gelbholz ...142
c) Rothölzer ...143
d) Orseille und Persio ...143
e) Katechu ...144
f) Cochenille ...144
Das Mercerisieren der Baumwolle ...144
Seidenfinish ...146
Die Bedeutung des Wassers für die Wäscherei, Bleicherei und Färberei. Die Reiningung des Färbereiwassers ...147
Register ...151
[7]

Literatur.

Axmacher: Praktischer Führer durch den Zendruck. Hannover, Dr. M. Jänecke.
Bottler: Bleich- und Detachiermittel der Neuzeit. Wittenberg, A. Ziemsen.
Bottler: Färbemethoden der Neuzeit. Halle, W. Knapp.
Bucherer: Die Teerfarbstoffe. Leipzig, G. J. Göschen'sche Verlahshandlung.
Dumont: Die Seide und ihre Veredlung. Wittenberg, A. Ziemsen.
Ebert und Nußbaum: Hypochlorite und elektrische Bleiche. Halle a. S., Wilh. Knapp.
Erban: Theorie und Prazid der Garnfärberei mit den Azoentwicklern. Berlin, J. Springer.
Felsen: Der Indigo und seine Konkurrenten. Berlin, Verlag für Textilindustrie.
Felsen: Türkischrot und seine Konkurrenten. Berlin, Verlag für Textilindustrie.
Fiedler: Die Materialen der Textilindustrie. Hannover, Dr. M. Jänecke.
Ganswind: Einführung in die moderne Färberei. Leipzig, B. F. Voigt.
Ganswind: Theorie und Praxis der modernen Färberei. Leipzig, B. F. Voigt.
Ganswind: Technologie der Appretur. Wien und Leipzig, A. Hartlebens Verlag.
Ganswind: Wollwäscherei und Karbonisation. Leipzig, J. J. Weber.
Gardner: Mercerisation der Baumwolle. Berlin, J. Springer.
v. Georgievics: Lehrbuch der Farbenchemie. Leipzig und Wien, Franz Deuticke.
v. Georgievics: Lehrbuch der chemischen Technologie der Gespinstfasern. Leipzig und Wien, Franz Deuticke.
Glafey: Die Rohstoffe der Textilindustrie. Leipzig, Quelle und Meyer.
Heermann: Färbereichemische Untersuchungen. Berlin, J. Springer.
Heermann: Koloristische und textilchemische Untersuchungen. Berlin, J. Springer.
Heermann: Anlage, Ausbau und Einrichtungen von Färberei, Bleicherei und Appreturbetrieben. Berlin, J. Springer.
Herzfeld-Schneider: Die Bleichmittel, Beizen und Farbstoffe. Berlin, M. Krayn.
Herzfeld-Wuth: Die Praxis der Färberei. Berlin, M. Krayn. (Im Erscheinen.)
Knecht-Löwenthal-Rawson: Handbuch der Färberei der Gespinstfasern. Darstellung der Bleicherei und Färberei. Berlin W. u. S. Löwenthal.
Kozlik: Technolohie der Gewebappretur. Berlin, J. Springer.
[8]
Lauber: Praktisches Handbuch des Zeugdrucks. Leipzig, Siegbert Schnurpfeil.
Lehne: Tabellarische Übersicht über die künstlichen organischen Farbstoffe. Berlin, J. Springer.
Massot: Anleitung zur qualitativen Appretur und Schlichtanalyse. Berlin, J. Springer.
Nietzki: Chemie der organischen Farbstoffe. Berlin, J. Springer.
Nölting-Lehne: Anilinschwarz und seine Anwendung. Berlin, J. Springer.
Piest: Die Zellulose. Stuttgart, Ferdinand Enke.
Schultz: Chemie des Steinkohlenteers. Braunschweig, Friedr. Vieweg & Sohn.
Schultz-Julius: Tabellarische Übersicht der im Handel befindlichen künstlichen organischen Farbstoffe. Berlin, R. Gärtners Verlagsbuchhandlung.
Schwalbe: Neuere Färbetheorien. Stuttgart, Ferdinand Enke.
Schwalbe: Die Chemie der Zellulose. Berlin, Gebrüder Bornträger.
Silbermann: Die Siede. Dresden, Gerhard Kühtmann.
Steinbeck: Bleichen und Färben der Seide, Halbseide im Strang und Stück. Berlin, J. Springer.
Stohmann und Kerl: Enzyklopädisches Handbuch der technischen Chemie. Bd. III. Farbstoffe und Färberei. Braunschweig, Friedr. Viewig & Sohn.
Süvern: Die künstliche Seide. Berlin, J. Springer.
Theiß: Die Strangbleiche baumwollener Gewebe. Berlin, M. Krayn.
Theiß: Die Breitbleiche baumwollener Gewebe. Berlin, M. Krayn.
Theiß: Khaki auf Baumwolle. Berlin, M. Krayn.
Ullmann: Die Apparatefärberei. Berlin, J. Springer.
Walther: Farben und Farbstoffe. annover, Dr. M. Jänecke.
Witt: Chemische Technolohie der Gespinstfasern. Braunschweig, Friedr. Vieweg & Sohn.
v. Wouwemann: Farbenlehre. Wien und Leipzig. A. Hartlebens Verlag.
Zacharias: Theorie der Färbevorgänge. Berlin, Verlag für Textilindustrie.
Zipser: Die etxtilen Rohmaterialien. Wien und Leipzig, Franz Deuticke.
Zipser: Apparate, Geräte und Maschinen der Wäscherei, Bleicherei und Färberei. Wien und Leipzig, Franz Deuticke.
Zu verweisen ist ferner auf die Spezialwerke der Farbenfabriken, z. B.:
Die Teerfarbstoffe der Farbwerke vorm. Meister Lucius & Brüning, Höchst a. M. Eigenverlag der Farbwerke.
Kleines Handbuch der Färberei von Leopold Cassella & Co., Frankfurt a.M. Eigenverlag der Farbwerke.
Verfahren un Rezepte der Anwendung der Farbstoffe der Farbenfabriken vorm. Fr. Bayer & co., Elderfeld, Selbstverlag von Fr. Bayer.
Grundzüge für die Anwendung der Farbstoffe der Badischen Anilin- und Sodafabrik, Ludwigshafen a. Rh. Selbstverlag der Firma.
Die farbstoffe der Aktiengesellschaft für Anilinfabrikation, Berlin. Selbstverlag der Firma.

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Einleitung.

1. Die historische Entwicklung der Färberei

Der in der Natur des Meschengeschlectes begründete Trieb nach Verschönerung und Veredlung, die Freude an den farbenprächtigen Darbietungen der Natur sowie am Besitz verfeinerter, sinnlich wohlgefälliger Gegenstände und Erzeugnisse können als die Bewegggründe zur Entwicklung einer Kunst angesehen werden, welche bei alten und neuen Kulturvölkern unserer Erde mehr oder minder entwickelt angetroffen wird. - Die mannigfachen Bestrebungen, aus tierischen oder pflanzlichen Stoffen hergestellte Gewebe in einer für das Auge abwechslungsreichen und wohltuenden Weise durch Auftragen oder Durchtränken mit Farbstoffen zu verschönern, führten im Laufe langer Zeiträyme zur Färberei der Gespinstfasern in dem Sinne des heutigen Begriffes.

Unsere Kenntnisse von dem Zustande der Färbekunst bei den alten Kulturvölkern sind sehr spärlich. Entrsprechend dem langsamen Emporblühen aus den unvollkommensten Anfängen sind jedoch Bedeutung und Ziele nach dem Stande der jeweiligen Ausbildung verschieden gewesen.

Schon in den ältesten Zeiten haben sich die Inder un die Ägypter it der Herstellung gefärbter Gewebe befaßt. Die in beschränktem Maße zur Verfügung stehenden Farbstoffe waren, soweit wir wissen, dem Tier- und Pflanzenreiche entnommen, wie z. B Indigo
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und Krapp, welche selbst in der heutigen Zeit bei der Unzahl von Farbstoffen, die dem Färber zur Verfügung stehen, ihre Bedeutung nicht verloren haben. Ein anderer berühmter alter Farbstoff war der Purpur, welcher aus dem Safte von Zwei Schneckearten bereitet wurde und zur Herstellung von blauen bis zu tief violetten Farbtönen Verwendung fand. Namentlich waren es die Phönizier, speziell die Einwohner von Tyrus, die sich als Purpurfärber eines gutklingenden Rufes erfreuten. Es ist von Intresse, daß es durch die neueren Forschungen gelang, diesen berühmten alten Farbstoff als Abkömmlig des Indigo zu charakterisieren. Nur mäßige Weiterenwicklung scheint die Kunst des Färbens bei den wenig industriell veranlagten Griechen und Römern erfahren zu haben, und nach den Stürmen der Völkerwanderung dauerte es noch Jahrhunderte, bis sich die Färberei in Verbindung mit den Fortschritten auf dem Gebiete der Weberei zu einer jungen Industrie im Sinne der heutigen Anddassung zu entwinkeln begann. Zuerst war dies in Italien der Fall, welches für geraume Zeit als Hauptsitz der Färbekunst betrachtet werden muß. Mit dem Aufstreben der Kultur in den nordeuropäischen Ländern wußte sich in denselben auch das Textilgewerbe und damit die Färberei Eingang zu verschaffen. Unser Blick fällt, auf den Merksteinen der geschichtlichen Entwicklung der Färbekunst haftend, bereits in der zweiten Hälfte des 14. und zu Beginn des 15. Jahrhunderts, sowohl in Deutschland und den Niederlanden wie auch in Frankreich und in England, auf besondere, nach bestimmten Gesetzen begründete Färberinnungen. Unter den genannten Ländern stehen die Niederlande mit der vollkommensten Ausbildung des Textilgewerbes in der damaligen Zeit, an
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der Spitze, und es scheint, als ob in den bewegten Zeiten des niederländischen Krieges durch Auswanderungen nach den Nachbarländern, namentlich nach Deutschland und Frankreich, mancherlei Geheimnisse und Künste dahin überführt worden seien, welche der jungen Industrie in diesen Staaten zum Segen gereichten und ihre Ausbildung befördern halfen. Von ganz besonderer Bedeutung aber war es für das Emporstreben und Aufblüchen der Färbekunst, als sich das Augenmerk der Wissenschaft auf die Gewinnung von Farbstoffen und deren praktische Verwertung zu richen begann. Die ersten Anfänge dieses für die Färberei in der Folge so fruchtbringend gewordenen Zusammenwirkens zwischen Praxis und Wissenschaft finden wir weit zurückliegend zuerst in Frankreich unter der Regierung Ludvigs XIV. Hand in Hand mit der im Laufe des 18. und ganz besonders während des 19. Jahrhunderts mächtig aufstrebenden und sich in der Tiefe ausbauenden chemischen Wissenschaft, bekünstigt ferner durch die Vervollkommnung der maschinellen Technik, sehen wir die moderne Färberei durch tausenderlei Errungenschaften befruchtetm durch eine Fülle von neuen, auf wohlerwogener Grundlage aufgebauten Verfahren bereichert, in allen Kulturstaaten zu einem der wichtigsten Industriezweige heranwachsen. Nicht zum geringsten Teile gebührt das Verdienst, in regster Weise diesen Aufschwung und diese glanzvolle Entwicklung gefördert zu haben, der deutschen chemischen Wissenschaft und ihren vielfach illustren Vertretern.

2. Begridd und Zweck der Färberei in modernem Sinne.

Die Erzeugung einer Farbe auf Gegenständen, speziell auf Gespinstfasern, ist sowohl mit chemischen als auch
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mit physikalischen Vorgängen verbunden, man bezweckt die dauerhafte, möglichst gegen Licht, Luft und mechanische Einflüsse widerstandsfähige Befestigung von Farbstoffen, welche in gelöster Form zur Anwendung kommen und dadurch eine möglichst vollständige Durchdringung des zu färbenden Stoffes ermöglichen. Die mechanische Befestigung von Farbstoffen, beispielsweise durch Auftragen derselben mit Hilfe klebender Mittel, hat mit den Methoden der Färberei nichts gemeinsam.

Das Hervorbringen von Farben auf Materialien erstreckt sich vornehmlich auf Gegenstände des Gebrauchs. Der gewerblich wichtigste Teil der Färberei beschäftigt sich mit der Veredling der tierischen und pflanzlichen Gespinstfasern, welche entweder unversponnen in losen Zustande, versponnen als Garne oder bereits zu Geweben verarbeitet der methodischen Behandlung unterliegen. Mit dem Verweben gefärbter Garne oder mit dem Förben eines Gewebes und den dazugehörigen Ausrüstungsarbeiten, mit der Appretur eines Stückes, findet die Herstellung von Stoffen und Tuchen ihren Abschluß. Die Färberei bildet daher gewissermaßen eine besondere Phase im Fabrikationsgang solcher Erzeugnisse und ist ein Glied in der Kette einer Industrie, welche ferner noch die Spinnerei und die Weberei umfaßt und allgemein mit dem Namen Textilindustrie bezeichnet wird.

Das Gebiet der Färberei ist jedoch mit dem Färben von Gespintfasern nicht abgeschlossen. Die gesteigerten Ansprüche des Geschmacks und der Mode führten zur Ausbildung der Pelz- und Fellfärberei (Rauchwarenfärberei), der Lederfärberei, der Haar- und Haarfilzfärberei-. Schließlich wäre noch das Färben von Strohm con Federn und von Papier and dieser Stelle zu erwähnen.

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Das vorliegende Wekchen beschäftigt sich nur mit der Färberei der gebräuchlichen Gespinstfasern, während die übrigen Zweige des beschränkten Raumes halber eine Berücksigtigung nicht finden konnten.

3. Der Zeugdruck.

Eine der Färberei nahe verwandte und von ihr untrennbare Kunst, deren Spuren sich gleichfalls bis in die ältesten Zeiten zurückverlieren, ist der Zeugdruck. Während man aber bei der Färberei ein möglichst gleichmäßiges Durchdringen des ganzen Gewebes mit Farbstoff anstebt, bezweckt man bei dem Zeugdruck das Hervorbringen bunter Muster auf Weißen oder bereits vorgefärbten Geweben. Die Farbstoffe werden unter Mitwirkung von Verdickungs- und Klebemitteln, wie Dextrin, Gummi usw., und einem Lösungmittel zum dünnen Brei angerührt und nur an bestimmten Stellen mit Hilfe Mustergravur führender Walzen zunächst mechanisch aufgetragen, dann aber durch weitere Operationen zum Eindringen und zur Befestigung gebracht.

4. Begriff und Zweck der Wäscherei, Bleicherei und Appretur.

Die zum Färben gelangenden Gepinstmaterialien enthalten stets eine Reihe von natürlichen verunreinigenfen Bestandteilen, teils Mißfarbige Stoffe, teils fettartige Substanzen, welche dem Herborbringen reiner Farbentöne störend im Wege sind und daher entfernt werden mussen, ehe man die Waren dem Färbeprozesse unterwirft. Die für diese Swecke der Reinigung und Vorbereitung zum Färben notwendigen Operationen bestehen in einer geeigneten Wäsche und in der Einwirkung bleichender, d. h. farbstoffzerstörender Körper. Die erforderlichen Maßnahmen gehören in das Gebiet der Wäscherei und Bleicherei. - Die praktische Betätigung wird teils in besonderen Anlagen ausgeführt, teile bleibt sie den Färbereibetrieben selbst überlassen.

[14]

Die fertigen gefärbten Stücke unterliegen schließich in den meisten Fällen noch einer Behandlung, welche man als Appretur bezeichnet. Das Appretieren bezweckt das Auftragen oder die Einwirkung chemischer Substanzen, eventuell auch mechanischer Hilfsmittel, um der fertigen Ware ein gefällihes und solides Aussehen oder eine den Gebrauchzwecken angepaßte Beschaffenheit in bezug auf Weichheit oder Steifheit zu erteilen.

5. Farbstoffe und Farben.

Eingangs haben wir bereits gehört, daß es der Zweck der Färberei ist, auf Gespinstfasermaterialien, Garnen und Geweben, Farben zu erzeugen. Die Veränderung, welche sich dabei im Aussehen des betreffenden Gegenstandes vollzieht, kommt zustande unter dem einfluß eines Farbstoffes. Unter Farbstoffen müssen wir daher Körper verstehen, welche die Fähigkeit besitzen, unter bestimmten Bedingungen Gegenständen, z. B. einer Pflanzen- oder Tierfaser, Farben zu verleihen. Die Farben sind Empfindungen, welche com Lichte in uns hervorgerufen werden. Je nach der Art der Empfindungm welche das Licht in uns bewirkt, das von diesem oder jenem Körper auf uns bewirkt, haben wir den Eindruck irgendeiner Farbe. - Es darf als allhemein bebannt vorausgesetzt werden, saß das weiße Licht der Sonne aus sieben verschiedenen Farben, den sognannten Regenbogenfarben, zusammengesetzt ist. Dieselben lassen sich beim Hindurchtreten des weißen Sonnenlichtes durch ein Glasprisma in Gestalt eines siebenfarbigen Bandes sichtbar machen. Auf diese Weise erhält man das sogenannte Sonnenspektrum, welches mit rot beginnend sich über orange, gelb, grün, blau, indigo nach violett hinzieht. Weiß läßt sich aber nicht nur durch Mischung aller Einzelfarben, der sogenannten Spektralfarben erhalten, sondern es kann auch durch Mischung
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von zwei oder von drei Einzelfarben zustande kommen. Zwei Farben, welche sich gegeseitig zu weiß ergängen, heißt man komplementäre Farben. Solche komplementäre Farben sind: rot und grünlichblau, orange und zyanblau, gelb und indigoblau, grünlichgelb und violett. Die Empfindung der Farbe führt man zurück af einen chemischen Prozeß in der Sehsubtanz des Auges. - Wenn nun die Fläche eines Körpers die Fähigkeit esitzt, das siebenfarbige Sonnenlicht in seiner Gesamtheit zu reflektieren, so erscheint uns der Gegenstand weiß. Zeigt dagegen eine Fläche das Vermögen, einen Teil des auffallenden Sonnenlichtes auszulöschen, einen anderen Teil zu reflektieren, also eine Zerlegung des weißen Lichtes herbeizuführen, so erscheint uns der Körper in der Farbe, welche der zurückgeworfenen Lichtart eigentümlich ist, z B. rot oder grün oder blau usw. Jedoch ist zu beachten, daß nur selten das Licht, welches von Körpern in under Auge gelangt, wirklich einfarbig oder monochrom ist wie die Einzelfarben des Sonnenspektrums. In der Regel wirft ein gefärbter s. B. ein roter Körper alle Arten von farbigen Strahlen zurück; da aber die Strahlen, welche uns den Körper rot erscheinen lassen, zahlreicher sind als die übrigen, so überwiegen sie für diesen Fall in der Wirkung auf under Auge. Der Einfluß der übrigen mit in under Auge gelangenden Strahlen kann sich jedoch durch Abtönung der roten Farbe beispielsweise nach gelb oder nach blau zu bemerkbar machen und erklärt die außerordentlichen Abweichungen im Ton, welche sich an gegenständen mit ein und derselben Grundfarbe beobachten lassen. Blaue Farben können einen Stich ins Rote zeigen, rote können gelbstichig sein usw. - Drei Farben lassen sich feststellen, durch deren Mischung die anderen Farben
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erhalten werden können. Diese sogenannten Grundfarben sind gelb, rot und blau, man bezeichnet sie auch als Primärfarben. Durch Mischung von Primärfarben entstehen die Sekundärfarben. So erhält man durch Mischung von rot und gelb orange. Man hat es in der Hand, durch Überwiegenlassen von rot oder von gelb bei der Mischung einen Rot- oder Gelbstich der Farbe zu bewirken. Rot und blau erzeugen zusammen violet, blau und gelb ergeben grün. Mischt man alle drei Grundfarben, so entstehen die Tertiärfarben. So erhält man z. B. ein Grün durch gleichmäßige Mischung von gelb, rot und blau. Auch die Mischung von sekundären Farben führt zur Bildung von tertiärfarben. Violett und orange erzeugen braunrot, grün und violett oliv. - Schließlich kann der fall eintreten, daß alle Lichtstrahlen beim Auffallen auf eine Körperfläche ausgelöscht, wie man gewöhnlich sagt, absorbiert werden, und überhaupt keine Reflexion mehr stattfindet. Unter diesen Umständen wird von der betreffenden Stelle her in unserem Auge keine Farbenempfindung geweckt, und wir beeichnen den Eindruck mit schwarz. Dieser Anforderung genügen jedoch unsere schwarzen Farbstoffe beim praktischen Gebrauche in der Regel nicht vollständig, denn sie zeigen Beimischungen von Farben durch Reflexion bestimmer Lichtstrahlen. Um solche Beimischungen zu beseitigen und ein schönes Tiefschwarz zu erzeugen, macht man z. B. praktisch in der Färberei Zusätze von Farbstoffen, beziehungsweise man bedient sich der Beimischung von Farbem, welche sich zu der in dem Schwarz hervortretenden Farbe komplementär verhalten. Einem grünstichtigen Schwarz setzt man zur Beseitigung des Grünen ein entsprechendes Quantum Rot hinzu, oder man mischt einem
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blaustichigen Schwarz Orange bei usw. Auf demselben Prinzip beruht auch das beim Schwarzfärben der Seide übliche Grundieren mit Berlinerblau, um ein torsctichiges Schwarz su vermeiden.

Für den Koloristen is die Kenntns der Gesetzmäßigkeiten, welche bei der Farbenmischung von Belang sind, zur Erzeugung bestimmer Farbeneffekte von Wichtigkeit.




Erster Teil

Gespinstfasern, Chemikalien, Beizen, Farbstoffe.

Bei dem großen Einfluß, welchen die wissenschaftlichen errungenschaften auf die praktische Ausübung der Färberei und ihrer Hilfsweige, der Wäscherei und Bleicherei, sich zu verschaffen wußten, ist es für jeden Interessenten zur unerläßlichen Bedingung geworden, sich mit den Grundlagen der einschlägigen Wissenschaften so weit vertraut zu machen, daßer aus den Darbietung und erfolgen derselben für seine Zwecke den erforderlichen Nutzen ziehen kann. Die Chemie ist die breite Grundlage, auf welcher die Färberei und mit ihr die Wäscherei und Bleicherei ihren Boden fanden. Chemische Kenntnisse sind daher für jeden mit den Anforderungen seiner Zeit fortschreitenden Praktiker in erster Linie unerläßlich. Sie erweitern das Gesichtsfeld für die Beuerteilung und Anwendung von Farbstoffen, für die Erforschung neuer beiz-, Färbe- und Farbdruckmethoden, sie ermöglichen eine Prüfung und
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Untersuchung con Rohmaterialien und die Bewertung und Beuerteilung von Konkurrenzmustern. - Ferner ist es das Studium der physikalischen Grundgesetze und der Maschinenkunde, welches dem Techniker für den Klein- und Großbetrieb schätzbare, oft unentbehrliche Dienste erweist. Von einem Färber verlangt man aber auch heutzutage, daß er außer mit seinen Farbstoffen un Beizen auch mit der Beschaffenheit der textilen Rohmaterialien, der Gespinstfasern, ihrer Herkunft ihrer Verarbetung, dem Verhalten und Aussehen derselben genau bekannt ist. dazu ist einige Kenntnis des Mikroskopes und der mikroskopischen Technik erforderlich.

I. Die Gespinstfasern

Die Textilindustrie ertnimmt ihre Rohstoffe sowohl dem Pflanzen- als auch dem Tierreiche. Zur Anwendung kommen morphologisch lang gestreckte, mehr oder weniger elastische und geschmeidige Gebilde, welche die Gestalt von Fasern haben. Nach entsprechender Reinigung und Vorbereitung erfolgt die Verarbeitung zu Garnen in der Spinnerei. Die Garne dienen zur Herstellung von Geweben in der Weberei.


A. Die Gespinstfasern des Pflanzenreiches.

Das Pflanzenreich stellt f¨r die Zwecke der Textilindustrie ein sehr wertvolles Kontingent. Die Chemie bezeichnet den Grundstoff, aus welchem die meisten Pflanzenfasern bestehen, als Zellulose oder Zellstoff. Botanisch betrachtet, begegnen wir in den gebräuchlichen Pflanzenzellen entweder Pflanzenhaaren, z. B. Samenharen, oder Bast- und Blattfasern, vornehmlich aber Bastfasern. In der Regel ist der Zellstoff in den
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Materialien, die uns die Pflanze bietet, vertunreinigt durch eingelagerte Pflanzensubstanzen, wie Holzsubstanz, leim-, gummi-, fett-, wachs- und harzartige Körper, oft auch durch natürliche, unschön wirkende Pflanzenfarbstoffe, deren Entfernung bei den Zielen der Veredlung ersterbt werden muß.

a) Pflanzenhaare (Samenfrasern)

Die Baumwolle ist das wichtigste Textilfasermaterial des Pflanzenreiches und einer der bedeutendsten Handelsartikel der Welt. Die Stammpflanzen Gossypium harbadense (Sea Island Baumwolle), Gossypium herbaceum, G. arboreum (Familie Malvaceae) werden vornehmlich in der heißen Zone in sogenannten Baumwollplantagen als Kraut, Strauch oder baumartige Gewächse angebaut. Aus der Blüte entwickelt sich zur Zeit der Reife eine drei- bis fünffächerige Kapsel von etwa Nußgröße, welche die behaarten Samenkerne birgt. Bei der Reife platzt die Kapsel und Läßt die weißen Samenbüchsel, die Baumwolle, hervorquellen. Die Beschaffenheit des Bodens und des Klimas, die Eigenart der Stammpflanze, sind nicht ohne Einwirkung auf die Entwicklung der Baumwolle, so daß die einzelnen Handelssorten sich durch gewisse Unterschiede auszeichnen.

Zue Zeit der Ernte wird die Baumwolle mit den Händen eingesammelt, sortiert und mit Hilfe der sogenannten Egreniermaschine von den Samenkernen befreit. Alsdann findet die Verpackung in viereckige, meist mit Jutestoff umhüllte Ballen von 200-300 kg Gewicht statt. In Handel werden die verschiedenen Baumwollsorten nach den Ländern, welche sie hervorbrachten, unterschieden. Die erste Stelle nimmt die nordamerikanische Baumwolle ein. Es folgen die westindischen, südamerikanischen, ägyptischen (Mako), die ostindischen Baumwollen. Von untergeordneter Bedeutung sind die levantischen und europäischen Baumwollsorten. Die Entwicklung der deutsch-kolonialen Baumwollproduktion ist in erfreulichem Audschwung begriffen.

Die Rohbaumwolle ist, in großen Massen betrachtet, in der Regel weiß, bei näherer Besichtigung zeigt sich jedoch meist ein Stich ins Gelbe oder Bräunliche, einzelne Sorten
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sind sogar deutlich gelb bis braun gefärbt. Die weißen Handelssorten sind die geschätztesten. Nach der Länge der Fasern, welche bei den einzelnen Handelssorten verschieden sein kann - sie schwankt zwischen 15-50 mm - teilt man die Baumwollen ein in kurzstapelige (Länge unter 25 mm) und in langstapelige Sorten (Länge über 25 mm).

Für die Beurteilung des Wertes einer Baumwolle kommen in Betracht: die Länge und die Gleichmäßigkeit der Faser, die Weichheit, Elastizität und die Zugfestigkeit. Ferner verlangt man von einer guten Baumwolle einen gewissen Grad von Glanz.

Um das mikroskopische Aussehen der Baumwolle oder anderer Textilfasern zu untersuchen, bringt man ein Flöckchen auf den Objektträger, setzt einen Tropfen Wasser darauf und bedeckt mit dem Deckgläschen. Bei schwaher, ca. 75-100 facher Vergrößerung gewahrt man bei der Baumwolle bandartige, langgestrecke, vielfach korkzieheartig gewundene Fasern. Diese typische Erscheinung dient mit zur Unterscheidung der Baumwolle von anderen Gespinstfasern. Verwendet man nun, nachdem man mit der Schwächeren Vergrößerung das Gesichtsfeld überschaut hat, eine stärker vergrößernde Optik, etwa 200-300fache Vergrößerung, so stellt sich dem Auge eine breite, bandartige Faser dar, an welcher man deutlich einen breiten, ab und zu auch etwas verengten Innenraum, das Lumen, von einer meist verdickten, wulstig erhabenen Zellwand umschlossen sieht (s. Fig. 1). Vielfach zeigt sich die ganze Faser mit kleinen Körnchen und regelmäßig verlaufenden Strichelchen überdeckt, welche von einer die ganze Zellwand der Rohbaumwolle umkleidenden haut, der sogenannten Cuticula oder Verdickungsschict, herrüren. Bei nicht zerrissenen Haaren begegnet man einer natürlichen, abgerundeten, stark verdickten Spitze. Behandelt man die Baumwolle unter dem Deckgläschen mit einem Tropfen Kupferoxydammoniaklösung, so tritt ein charakteristisches Aufquellen der einzelnen Rohbaumwollfasern ein, das mit völliger Lösung und Zerstörung unter Hinterbleiben der Cuticula endet. Zu Beginn der Einwirkung des Reagens reißt die nicht quellende Cuticula und zieht sich vielfach zu die Faser umschnürenden Ringen zusammen, zwischen welchen die Zellulose zu kugeligen Gebilden anschwillt. Unreife Fasern zeigen
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schwach verdickte Ränder und einen weiten, strukturarmen Innenraum. Sie heißen tote Fasern und färben sich schlecht an (s. Fig. 1b).
Die aus der Egreniermaschine hervorgehende Baumwolle ist die sogenannte lose Baumwolle. Der größere Teil der Baumwolle wird zu den verschiedenen Formen von Baumwollgarn versponnen, dann gefärbt und verwebt oder in Garnform ungefärbt verwebt und dann im Stück gefärbt.

Die Kapokwolle von Ceiba pentandra in den Tropen Amerikas, Asiens und Afrikans heimisch, bietet ein in Mischung mit Baumwolle zu Garnen verspinnbares Fasermaterial dar. Bedeutender ist die Verwendung zu Polsterungszwecken.


b) Bastfasern

Der Flachs oder Lein ist das wichtigaste der Stengelfasern liefernden Gewächse. Die Stammppflanze heißt Linum
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usitatissimum (Familie Linacear) und wird in der gemäßigten Zone angebaut. Die Ernte beginnt, sobald die unteren Stengelblätter anfangen, gelb zu werden. Die ausgerauften Stengel werden zunächst geriffelt zur Entfernung der Blätter und Äste, worauf man zur Trennung von Holz und Bast schreitet, da nur der letztere brauchbare Fasern enthält. Die Trennung beginnt mit dem sogenannten Rotten, einer Art von Gärungsprozeß unter Wasser, und endigt mit dem Brechen, Schwingen und Hecheln des Flasches. Gut gehechelter Flachs soll eine gelblich graue bis stahlgraue Farbe aufweisen. Der Wert der Ware wird auch hier nach der festigkeit, dem Glanze, der Weichheit und Reinheit beurteilt. Unter dem Mikroskope gewahrt man lange, röhrenförmige Fasernelemente mit stark verdickten Wandungen und schmalen Innenhohlraum. Charakteristisch sind die scharfen Spitzen der einzelnen Fasern, welchen man nicht allzuselten begegnet, sowie die durch Wachstumsunregelmäßigkeiten entstandenen Verschiebungen, kleinen Querrißchen und Kreuzchen, auch stellenweise knotige Anschwellungen und endlich auch die nicht immer ganz regelmäßig gestalteten Querschnitte der Fasern (s. Fig. 2).

Der Flachs wird zu Garn und zu Geweben verarbeitet. Letztere stellen dann die sogenannte Leinwand dar. Beide gelangen nach vorausgegangener Bleiche zum Färben. Der Leinenplüsch ist ein sehr geschätzter Dekorationsstoff.

Die Fasern der frischgeschnitteln Blätter der Flachslilie (Phormium tenax) aus Neuseeland sind unter dem Namen Neuseeländer Flachs im Handel.

Der Hanf wächst gleichfalls in der gemäßigten Zone, verlangt jedoch zur gedeihlichen Entwicklung ein etwas wärmeres Klima als der Flachs. Die Stammpflanze ist Cannabis sativa (Familie Cannabineae). Die Trettung des Bastes com Holze erfolgt im wesentlichen nach denselben Gesichtspunkten wie beim Flachs. Die äußere Beschaffenheit ist von derjenigen des Flasches wenig verschieden, dagegen ist der Glanz im allgemeinen geringer, die Festigkeit aber größer.

Mikroskopisch betachtet, besteht zwischen hand und Flachs gleichfalls eine außerordentlich weitgehende Übereinstimmung, so daß es unter Umständen praktisch zu den nicht ganz leichten Aufgaben gehören kann, beide voneinander
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zu unterscheiden. Ein gutes Erkennungsmittel für Hanffasern liegt in der im Vergleich zu den Flachsfasern stumpfen Beschaffenheit der Enden, welche auch ab und zu ein gabeliges Aussehen besitzen. Ferner ist das Bild des Querschnittes charakteristisch und von dem des Flasches verschieden (s. Fig. 3), obwohl sich Übergangsformen zwischen beiden finden können.

Für die Färberei besitzt der Hanf im allgemeinen eine untergeordnete Bedeutung, er kommt zuweilen als Bindfaden und Hanfzwirn zum Färben. In ungefärbtem Zustande verwendet man Hanf, außer zu Bindfaden, zur Herstellung von Hanfleinwand, Packleinwand, Segeltuch
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von Seilen und Tauen. Für die Gewinnung der letzteren ist er seiner großen Festigkeit halber sehr geeignet.

Als geschätzte Fasermaterialien, zu ähnlichen Zwecken dienend, sind zu erwähnen der Manilahanf von Musa textilis (Philippinen), der Aloehanf oder Mauritiushanf von verschiedenen Aloearten (Mauritius), der Sanseveriahanf von Sanseveria guineensis (British-Ostafrika) and Deutsch-Ostafrika sowie endlich der Sisalhanf von Agaver rigida (Meziko, Deutsche Kolonien).

Die Jute wird aus dem Baste von Corchorus capsularis, einer in Asien, namentlich in Indien, angebauten Pflanze aus der Familie der Gemüselinden gewonnen. Die Ernte erfolgt zur Zeit der Blüte. Nach vorausgegangenem Rotten wird die Bastschicht con dem Stengel durch Abschälen mit den Fingern getrennt und nach dem reinspülen an der Luft getrocknet. Die Farbe der besten Jutesorten ist hell, weißlich gelb oder silbergrau, minder gute Handelssorten haben ein mehr bräunliches Aussehen. Charakteristisch ist die Einlagerung von Holzsubtanz in der Zellwand der Jutefaser, welche bei längerem Gebrauche des aus Jute hergestellen Materials die Brüchigkeit desselben, das Morschwerden und Ausfasern, namentlich bei fortgesetzter Einwirkung von Licht, herbeiführt. Durch einen leichten Gärungsprozeß, das Batchen, und durch Drücken und Knicken auf der Jutequetschmaschine präpariert man für den Spinnprozeß.

Die Jutefaser ist durch ihr typisches Aussehen unter dem Mikroskop leicht von anderen Textielfasern zu unterschleiden. Die Fasern stellen sich in Büdeln fest zusammenhängend dar und zeigen einen Innenraum, welcher sich im Längsverlaufe ein und derselben Faser abwechselnd verengt und wieder erweitert. Verschiebungen, wie sie bei Flachs und Hanf zu beobachten sind, fehlen hier vollkommen (s. Fig. 4). Die Abbildung stellt eine kurze Strecke der Längansicht einer Faser bei stärkerer Vergrößerung dar.

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Jute findet, teils f¨r sich allein, teils mit baumwolle gemischt, sehr vielfach Anwendung zur Herstellung von Vorhängen, Möbelstoffen, Teppichen, von Matten, Packleinwand u. dgl. Zum Färben kommt gebleichte lose Jute, noch mehr aber Jutegarn. Auch ein Juteplüsch ist bekannt.

Die Ramie oder Chinagras, auch chinesische Nessel genannt, stammt aus China. Die Ursprungspflanze Urtica nivea (Familie Urticaceae) kommt jedoch auch in Japan und Indien vor. Die vom Holzkörper getrennte Rohfaser, der Bast, besteht aus gelb grauen oder grünlich gelben Faserbündeln, aus welchen die spinnfertige kotonisierte Ramie in Gestalt weißer, seidenartig gläzender Fasern gewonnen wird. Die Fasern zeichnen sich durch grp&sze Stärke, Festigkeit und Biegsamkeit aus. Mikroskopisch besehen, ist die große Breite der einzelnen Fasern auffallend, welche die der übrigen Pflanzenfasern ganz beträchlich übertrifft. Das Zellumen ist ziemlich weit, die Wände sind etwas, wenn auch mäßig verdickt, faltig und oft mit Rissen und Spalten und kleinen, kreuzweise verlaufenden Strichelchen versehen (Fig. 5). Infolge ihres schönen Glanzes findet die Ramie nicht selten Verwendung zur Erzeugung sogenannter Effektfäden oder Verzierungsgarne, aber auch für die Herstellung von Geweben besitzt sie Bedeutung. Sowohl in ungesponnenem Zustande als auch als Vorgespinst und Garn kommt sie zum Färben.

Für die Herstellung von Läuferstoffen, Teppichen, Matten usw. erfreut sich die Kokosfaser aus dem Fruchtfleisch der Kokonuß steigender Verwendung.

Allen genannten Pflanzenfasern gemeinsam ist die Eigenschaft, sich mit Feuchtigkeit der Luft je nach
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Umständen in größerem oder geringeren Maße zu beladen. Sie sind hygroskopisch. Der zulässige Gehalt an Feuchkeit beträgt für Baumwolle etwa 8, bei Flachs und Hanf bis zu 12 Prozent, bei Jute bis zu 14 Prozent. Diese sogenannte Luftfeuchtigkeit kann durch vorsichtiges Erhitzen auf etwa 100°C entfernt werden, wobei man das Trockengewicht erhält.


Verhalten der Pflanzenfasern bei der Einwirkung von Wasser, von Säuren, Basen und von Bleichmitteln.

Bei der Einwirkung der oben genannten Körper erfahren die vegetabilischen aus Zellulose bestehenden Texilfasern mancherlei Veränderungen. Unter gewöhnlichen Umständen erweist sich das Wasser, sowohl beim Kochen wie in der Kälte, ohje Einfluß auf die Widerstandsfähigkeit, doch ist für die Baumwolle nachgewiesen, daß dieselbe beim Erhitzen mit Wasser unter Druck bei 150° ganz bedeutend an Festigkeit verlieren kann, daß derner die Jute bei einer langandauernden Behandlung mit gespannten Wasserdämpfen in lösliche Substanzen übergeführt wird. Verdünnte Mineralsäuren, wie Schwefelsäute, bewirken in der Kälte bei Baumwolle, Flachs, Hanf und Ramie keine erhebliche Veränderung, Jute dagegen wird schon bei gewöhnlicher Temperatur unter denselben Bedingungen angegriffen und geschwächt. Heiße, verdünnte Minerallsäuren können dagegen Schwächung auch bei den übrigen Fasern, Mürbewerden, sogar Zerfall herbeiführen. Daher ist es verständlich, daß konzertierte Säuren verhältnismäßig rasch eine mehr oder weniger vollständige Veränderung oder Zerstörung der fasern veranlassen können. Baumwolle wird durch konzen-
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trierte Schwefelsäure unter Aufquellung in eine mit Jod blauwerdende Substanz, das Amyloid, übergeführt, konzentrierte Salpetersäure unter Zusatz von konzentrierter Schwefelsäure bewirkt in der Kälte die Bildung von Nitrozellulose, welche für die Fabrikation der künstlichen Seide sowie für die Sprengstofftechnik bedeutungsvoll geworden ist. Heiße, konzentrierte Salpetersäure führt zur völligen Zerstörung und Oxydation.

Organische Säuren sind weniger von Einfluß wie die Mineralsäuren, jedoch können beim Trocknen oder Dämpfen unter Druck der mit Weinsäure, Ozalsäure oder Zitronensäure getränkten Fasern Schwächungen derselben bewirkt werden. Essigsäure macht jedoch eine Ausnahme und ist unschädlich. Die unter dem Einschluß von Säuren geschwäckte und damit chemisch etwas veränderte Zellulose heißt Hydrozellulose. - Von praktischen Interesse ist ferner der Einfluß, welchen Alkalien aud die Zellulose der Pflanzenfasern ausüben. Schwach alkalische Salze, wie Soda, Borax, Natriumphosphat, Seife usw., zeigen keine Wirkung. Verdünnte Natronlauge oder Kalilauge sind bei Abwesenheit von Luptsauerstoff gleichfalls ohne Bedeutung, bei Zutritt von Luft ensteht jedoch in heißer Lauge unter Schwächung der Faser die Oxyzellulose. Unter dem Einfluß starker Natronlauge bei gewähnlicher Temperatur erleidet die Baumwolle dagegen sehr bemerkenswerte chemische und physikalische Veränderungen. Die Faser wird unter Aufquellung durchscheinend, schrumpft hinsichtlich ihrer Längenausdehnung zusammen und zeigt auch diese Umwandlung dauernd nach völliger Entfernung der Natronlauge durch Auswachsen. Hand in Hand mit dieser Erscheinung geht
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eine Vermehrung der farbstoffaufnahmefähigkeit. Verhinderung der Schrumpfung durch Strecken führt zur Glanzerzeugung.

Von technischer Bedeutung ist ein Prudukt, welches durch Einwirkung von Schwefelkohlenstoff auf mit starker Natronlauge behandelte baumwolle, überhaput Zellulose, erhalten wird und unter dem namen Viskose in der Appretur, der Papierfabrikation sowie als Kollodiumersatz und auch zur Herstellung künstlicher Seide Verwendung gefunden hat.

Durch oxydierend wirkende Körper wird die Zellulose verändert und in Oxyzellulose übergeführt. Körper, welche Umwandlungen derart herbeiführen, sind freies Chlor, Wasserstoffsuperoxyd, Chlorkalk, Luftsauerstoff bei Gegenwart von Alkalien. Da die genannten Substanzen als Bleichmittel zur Zestörung der natürlichen Pflanzenfarbstoffe, zum Bleichen der Fasern gebräuchlich sind, so ist ihre Anwendung so zu leiten, daß als Folge des Bleichprozesses nicht die Schwächung und Undauerhaftigkeit der Faser durch Bildung von Oxyzellulose herbeigeführt wird. Die Pxyzellulose besitzt, im Gegensatz zur Zellulose, eine verhältnismäßig große Verwandtschaft zu basischen Farbstoffen, von welchen sie, ohne Mithilfe von Beizen, angefärbt wird.

B. Die tierischen Gespinstfasern.

Dieselben zerfallen in zwei Unterabteilungen. Man unterscheidet die tierischen Wollen und Haare von den Seiden. Die ersteren entstammen der Haardecke einiger Säugetiere und sind mehrzellige, röhrenförmige Gebilde. Besonders feine, zarte und gekräuselte Haare bezeichnet man als Wollen. Die Seiden degegen sind erhärtete Ausscheidungen von Raupen.

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a) Die tierischen Wollen

In erster Linie kommt die Schafwolle in Betracht, welche ebenso wie die Baumwolle einen Welthandelsartikel darstellt. Die ganze auf der Körperoberfläche des tieres vorhandene Wolldecke wird als Vließ bezeichnet. Man unterscheidet die in einer guten Wolle allein vorkommenden gekräuselten Wollhaare von den nicht gekräuselten, strafferen und meist dickeren Grannenhaaren.

Die Merinowolle, die Rambouilletwolle, die Imperialwolle und die sächsische Elektoralwolle bestehe ausschließlich aus den erstgenannten Wollhaaren, während die New Leicesterwolle fast nur aus Grannenhaaren zusammengesetzt ist. Gewöhnliche Landwollen führen in der Regel beide Haarsorten nebeneinander. Unter dem Einflusse klimatischer Verschiedenheit, durch Abweichungen in der Ernährungsweise und den Lebensbedingungen im allgemeinen, werden Verhältnisse bedingt, welche nicht ohne Einwirkung auf fie Beschaffenheit der Wolle bleiben, deren Verfeinerung und Veredlung das Ziel jeder Züchtung bildet. man macht einen Underschieht zwischen den Höhen- oder Landschaf- und der sogenannten Niederungsschafwollen. Erstere sind mehr oder wenigen gekräuselte, eine, kurztapelige Wollen, die vorwiegend zur Herstellung von Tuchen dienen, während die Wolle der Niederungsschale gröber und nicht gekräuselt ist und sich durch größere Stapellänge auzeichnet, Man verwendet diese Wollen daher mehr zur Fabrikation von kammwollenen Stoffen, d. h. zur herstellung von Kammgarnstoffen, welche keinen Walkprozeß durchzumachen haben, weil eine Verfilzung der Wollhaare nicht beabsichtigt wird. - Wei bei allen Textilfasern, hängt auch bei den Wollsirten die Verspinnbarkeit un der Wert in technischer Beziehung von gewissen Eigenschaften ab, zu welchen Feinheit des Haares, Weichheit und Elastizität und der Grad der Käuselung gehören. - Durch Abscheren der Wolle von lebenden Tiere erhält man die sogenannte Schurwolle oder Naturalwolle, die beste und geschätzteste Wollform. Die minderwertigen Gewinnungsformen sind die Hautwolle, die mandurch Abscheren von den Fellen geschlachteter Tiere erhält, und die Gerber- oder Raufwolle, welche in den Gerbereien von den Schaffellen meist nach Vorbehandlung derselben mit Kalk abgeschabt wird. Am
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wenigsten Wert besitzt die sogenannte Sterblingswolle, das Schurprodukt kranker oder verendeter Tiere. - In der Rohwolle, wie sie das Tier liefert, finden sich Stets Verunreinigungen, wie Schmutz, Wollschweiß und Wollfett, auch Körper pflanzicher Abstammung, z. B. Kletten, Stroh und Blätterreste, welche die natürliche weiße Farbe etwas verdecken. Wollen von brauner oder schwarzbrauner Naturfarbe sind nur wenig geschätzt.

Die Verarbeitung der Rohwolle beginnt mit der Entfernung des Wollschweißes und der Fettes durch Waschen mit Wasser und mit Seifenlauge. Das Wollfett kommt gereinigt als Lanolin in den Handel.

Chemisch betrachtet, besteht die Wolle wie alle tierischen Haare aus einer stickstoff- und schwefelhaltigen, hornartigen Substanz.

Unter dem Mikroskop zeigen die gekräuselten Wollhaare und die straffen Grannenhaare ein sehr charakteristisches Aussehen. Die ersteren erscheinen zulindrsch und bestehen aus einer faserig streifigen Grundsubstanz, dem Faserzylinder, welcher von feinen Schuppen, den Cuticularschuppen, umhüllt wird. Die Grannenhaare dagegen bestehen in der Regel aus drei Gewebearten, den Schuppen, der Faserschicht und der Markschicht, welche die Mitte des Haares der Längsachse folgend durchzieht (s. Fig. 6). Die Wollhaare von noch ungeschorenen Schafen zeigen eine natürliche Spitze.

Außer den Schafwollen haben einige Ziegenwollen sowie der Kamelwolle Bedeutung als Handelsartikel. Für manche Zwecke der Textilindustrie, so für die Herstellung besonders widerstansfähiger Garne, werden auch andere tierische Haare, wie Kuh- und Kälbergaare, hunde- und Roßhaare, mit in den praktischen Verwendungskreis hereingezogen. - Von den Ziegenwollen kommt in erster Linie die Mohärwolle, von der Angoraziege in Kleinasien abstammend, in Betracht, von welcher namentlich die feineren Sorten infolhe ihres schänen Seidenglanzes sehr geschätzt sind. Sie finden vielfach zur Herstellung von feinen Kammgarngeweben sowie für die Fabrikation halbseidener Gewebe Verwendung.

Das Mohärwollhaar ist mikroskopisch von der übrigen Wollsorten gut zu unterscheiden und zeichnet sich
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durch verhältnismäßig hohe, fast zylindrisch aussehende Oberhautschuppen mit feingezähneltem Rande aus, welche die mit breiten Spalten begabte Faserschicht umschließen (s. Fig. 7). Auch die Wolle der Kaschmirziege zeigt mikroskopisch ähnliche Beschaffenheit.

Ganz anders gestaltet sind dagegen die rauhen Haare der gewöhnligen Ziehe, welche fast durchgehends sich als Grannenhaare darstellen und dementsprechend die Markschicht deutlich erkennen lassen. Einem Gemisch von Woll- und Grannenhaaren begegnen wir bei der Kamelwolle.

Die wolle gelangt, sowohl in losem Zustande als auch in Form und Kammzug, ferner als Wollgarn (Streich- oder Kammgarn) sowie verwebt, in Stückform, zum Färben.

b) Die Kunstwolle.

Unter dieser Bezeichnung versteht man einen Gebrauchsartikel, welcher durch Zerfasern von schon benutzten wollenen oder halbwollenen Textilfabrikaten, Geweben, Lumpen, ferner aus Spinnerei- und Webereiabfällen gewonnen wird. Nach der
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Beschaffenheit des zur Herstellung verwendeten Rohmaterials besitzt die Kunstwolle verschiedenes Aussehen, und der Wert ist nicht der gleiche. Eine Kunstwolle, welche nur aus rein wollenen, ungewalkten Wollstoffen gewonnen wurde, führt den Namen Shoddy. Sie zeigt verhältnismäßig lange Fasern. Mungo ist eine Kunstwolle, welche aus rein wollenen, aber gewalkten, also tuchartigen Stoffen ergeben, eine mehr kurzfaserige Beschaffenheit aufweist. Das Produkt endlich, welches aus der Zergelung solcher Gewebe hervorgeht, die außer Wolle auch noch Baumwolle, Seide oder Leinen usw. enthalten, führt den Namen Alpaka- oder Extraktwolle. Die Trennung pflanzlicher Fasern von der Wolle geschieht meistens durch Karbonisieren, d. h. durch Behandlung des Wollen - Baumwollen - gemisches mit einer verdünnten Chloraluminiumlösung und nachfolgendes mäßiges Erwärmen, wovei die Baumwolle verkohlt, die Wolel aber unangegriffen bleibt und mechanisch von der ersteren getrennt werden kann. Aus der gekrempelten Wolle stellt man durch Verspinnen die Kunstwollschußgarne her, welche wiederum zu hallowenen Geweben verarbeitet werden. Die aus dieser Abfallindustrie hervorgehenden Fabrikate sind in der Regel unsolider Art. Daher ist es in vielen Fällen von großem Intresse, den Nachweis der Gegenwart von Kunstwolle zu führen. Die Aufgabe ist meistens nicht ganz einfach und gelingt am besten wieder mit Hilfe des Mikroskopes.

Als Haupterkennungspunkte können die folgenden Merkmale betrachtet werden. Zunächst das relativ häufige Auftreten ausgefaserter, abgerissener Enden, die ein pinselförmiges Aussehen besitzen, das Vorkommen vieler fasern mit fehlender oder defekter Epidermisschicht und mit sonstigen Demolierungserscheinungen. Ferner kommt die große Ungleicheit der einzelnen Fasern in bezug auf die Dicke in Betracht, da meist Wollenwaren der verschiedenartigsten Provenienz Verwerdung gefunden haben. Endlich kann die Verschiedenartigkeit der Färbung von Fasern ein und desselben Fadens, die vielfach erst nach dem Abziehen des übergefärbten, einheitliches Aussehen bewirkenden Farbstoffes zutage tritt, mit als Fingereig für die Erkennung der Kunstwolle angesehen werden.

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c) Die Seiden

Dieselben unterscheiden sich von allen anderen Gespinstfasern durch die Art und Weise ihrer Entstehung. Während wir bei den Wollen- und den Pflanzenfasern organisierten Gebilden begegnen, treten uns die Seiden als nicht organisierte, strukturarme, an der Luft erhärtete Sekrete von Schmetterlingsraupen entgegen. Man unterscheidet zwei Gruppen, die echten Seiden und die wilden Seiden. Allen Seiden ist ein mehr oder weniger entwickelter Glanz, der sogenannte Seidenglanz, eigentümlich.

Die echte Seide stammt aus China. Die Raupe des Maulbeerspinners (Bombyx mori) erzeugt bei ihrer Verpuppung einen festen Doppelfaden, aus welchem sie eine dichte Hülle, den Kokon, spinnt. Derselbe besitzt eiförmige Gestalt. Die Raupen werden zu diesem Zwecke gezüchtet. Der Kokon hatr eine Länge von etwa 30-35 mm und sieht weiß oder gelblich aus. Der zusammenhängende Seidenfaden des Kokons weist eine durchschnittliche Länge von 350 bis 1250 m auf. davon wird allerdings nur etwa ein Drittel der Länge für die Seidengewinnung ausgebeutet, da weder die äußere noch die innere, pergamentartige Schicht des Kokons beim Haspelprozesse zu verwerten sind.

Zur Gewinnung der Rohseide werden die Puppen zunäcst getötet; dies geschieht durch Hitze. Danach folgt das Sortieren der Kokons nach Brauchbarkeit, das Einweichen in warmes Wasser, um den leimartigen Überzug aufzuweichen, worauf man durch das sogenannte Schlagen der Kokons mit feinen Ruten die äußere Schicht, die Flockseide, entfernt. Das nun sich anschließende Abhaspeln eines zusammenhängenden Fadens wird wegen der Feinheit desselben stets mit 3-8 Kokons gleichzeitig vorgenommen, deren Einzelfäden vereignigt nun einen faden der fertigen Rohseide, den Grègefaden, bilden. Dieser stellt also die Summe von mehreren Kokonfaden dar. Das Abhaspeln der Seide wird mit Hilfe von besonderen Haspelmaschinen ausgeführt, die Rohseide wird hierbei in Form von Strähnen erhalten. Mehrere Rohseidenfäden können alsdann durch Zusammendrehen oder durch Zwirnen zu einem neuen und stärkeren Faden vereinigt werden. Die Seide, welche den besten Kokons entstammt, durch Vereinigung von 3-8 Kokonfäden in einen dest gedrehten, zwei bis dreifach dublierten
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fastgezwirnten Grègefaden verarbeitet wird, der beim Weben zu Kettfäden dient, heißt Organzin. Trameseide besteht aus 3-12 Kokonfäden zu einem Grègefaden vereignigt, der ohne Vordrehung zwei bis vierfach dubliert und lose gedrecht wird (Einschlag oder Schußseide).

Diejenigen Teile des Kokons, welche ihrer Verfilzung halber für die oben beschriebene Art der Seidengewinnung nicht geeignet sind, nämlich die äußeren und inneren Teile sowie die minderwertigen Kokons überhaupt, dienen zur Herstellung der Schappeseide.

Der Seidenfaden, welcher von dem Kokon durch Abhaspeln getrennt wird, besteht aus einem Doppelfaden. Jeder teilfaden weist zwei Bestandteile auf, den eigentlichen Faserstoff, das Fibroin, und eine äußere, farblose oder gelbliche, mehr oder weniger glanzlose Hülle, den Seidenleim, das Serizin (auch Seidenbast genannt). Der letztere macht durchschnittlich 25% der Gesamtmasse aus und bewirkt auch die Verbindung der beiden Einzelfäden zu dem Kokondoppelfaden. Der bekannte Glanz und das Krachen beim Anfassen der Seide kommen erst nach Entfernung der Serizinhülle im Seifen- oder Sodabade zum Vorschein.

Betrachete man die Rohseide unter dem Mikroskop, so gewahrt man deutlich die Vereinigung von zwei Einzelfasern oder Einzelfäden, wie oben gesagt wurde, zu einem Doppelfaden. Die Basthülle ist rauh, oft körnig aussehend und rissig zerklüftet. Zwischen den beiden, durch Serizin verklebten Fasern bemerkt man eine Rinne. Durch das Entbasten und die dadurch bewirkte Lösung des Seidenleims zerfällt der Doppelfaden in seine beiden Elemente, welche sich nun mikroskopisch als völlig glatte, mehr oder weniger gleichförmige, zylindrische Gebilde zu erkennen geben, die ab und zu eine kleine Ausbuchtung oder einen Höcker aufweisen (s. Fig. 8).

Serizin und Fibroin sind bezügich ihrer chemischen Zusammenseitzung nahe verwandt, beide sind stickstoffhaltige, aber im Gegensatz zur Wolle schwefelfreie organische Substanzen, über deren molekularen Aufbau nichts Feststehendes ermittelt ist.

Für den Handelswert der Seide kommt der Grad der Feinheit in Betracht, welchen man durch das Titrieren der Seide Feststellt. Früber bestimmte man zu diesem Zwecke
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das Gewicht von 476 m Seidenfaden und drückte dasselbe in Turiner denier aus (1 denier = 0,05336 g). Jetzt wird das Gewicht einer Fadenlänge von 430 m in halben Dezigrammen ausgedrückt. Unter dem Seidentiter versteht man also das stimmten Länge.

Die Seide kommt sowohl im Strange als auch im Stück zum Färben.

Unter den wilden Seiden, deren mehrere bekannt sind, ist besdonders die Tussahseide hervorzuheben, das Erzeugnis der Raupe eines in Südchina und Indien heimischen Nachtschmetterlings. Die Kokons sind von beträchtlicher Größe und liefern eine mehr braun aussehende Seide, deren Doppelfäden wesentlich größeren Durchmesser wie die der echten Seide besitzen. Unter dem Mikroskop zeigen sowohl die Doppelfäden als auch die entbasteten Einzelfäden oder Fasern ein bandartiges, gestreiftes Aussehen, welches von dem der echten
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Seide so verschieden ist, daß die Unterscheidung keine Schwierigkeiten macht (s. Fig. 9).

Ebenso wie die Pflanzenfasern, zeigen auch die tierischen Gespinstfasend die Fähigkeit, Wasser aus der Luft aufzunehmen, sie erweisen sich gleichfalls hygroskopisch, und zwar in noch stärkerem Maße wie die Fasern aus dem Pflanzenreiche. Dieser Umstand erfordert im Interesse des Käufers und Verkäufers für den Handel eine genaue Feststellung des Feuchtigkeitsgehaltes. Die Ausführung geschieht in den Konditionieranstalten, wo der Wassergehalt durch vorsichtiges Erhitzen ermittelt wird. Wolle verliert beispielweise durch Trocknen bei 100° durchschnittlich 17% Feuchtigkeit. Für Seide beläuft sich der Feuchtigkeitsgehalt auf etwa 10%. - Eine für praktische Zwecke besonders wichtige Eigenschaft der Wolle besteht in der Filzbarkeit oder Krimpkraft, auf welche sich das Walken von Wollgeweben zur Erzielung größerer Dichtigkeit bei der Herstellung von Tuchen gründet.


Verhalten der tierischen Gespinstfasern bei der Einwirkung von Wasser, von Säuren, Basen und von Bleichmitteln.

In bezug auf ihr Verhalten zu den obigen Körpern zeigen tierische und pflanzliche Teztilfasern teilweise prinzipielle Unterschiede. - Allgemein ist zunächts für die Wolle zu bemerken, daßdieselbe durch längeres Kochen mit Wasser aufquillt und etwas von Glanz und Festigkeit einbüßen kann. Beim Dämpfen bei 100° oder beim Erhitzen unter Druck tritt Schwächung der Faser ein. Konzentrierte Mineralsäuren wirken zerstörend, verdünnte werden beim Kochen von der Wollfaser aufgenommen und mit Zähigkeit festgehalten.

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Auch wird die Wolle beim Kochen mit wenig Säure enthaltendem Wasser weniger angegriffen als von ganz reinem Wasser.

Energisch wirken die Alkalien aud die Wolle ein. Kali- und Natronlauge stehen in dieser Beziehung obenan. Ihre Wirkung hängt wesentlich von der Stärke und Temperatur der Laugen ab. Durch längeres Kochen von Wolle in Wasser, welches nur 1% Ätznatron, auf das Gewicht des Fasermaterials berechnet, enthält, tritt allmählich völlige Lösung ein. Auch kohlensaure Alkalien wirken, wenn auch in geringerem Grade, zerstörend auf die Wollfaser ein, während ganz mild alkalisch reagierende Verbindungen wie Borax und Natriumphosphat sich Ziemlich indifferent verhalten. - Leicht Sauerstoff abgebende Mittel wie Kaliumpermanganat, Chromsäure wirken oxydierend und, im Übermaße verwendet, schwächend auf die Faser. Trockenes Chlorgas bringt wenig, feuchtes dagegen, namentlich bei länherer Beeinflussung, völlige Zerstörung hervor. Ebenso verhalten sich unterchlorig saure Salze. Dieselben können daher zum Bleichen nicht Verwendung finden; an ihrer Stelle benutzt man schwellige Säure oder Wasserstoffsuperoxyd. Übrigens gelingt es durch vorsichtiges Chloren der Wolle unter Wasser, bei richtiger Handhabung des Verfahrens, derselben einen erhöhten Glanz und etwas seidenartigen Griff zu erteilen. Sie verliert jedoch dadurch die Fähigkeit zu verfilzen. Bei der Seide kommen die Eigenschaften des Serezins und diejenigen des Fibroins in Betracht, welche sich voneinander sehr wesentlich unterscheiden.

Serizin wird von kaltem Wasser kaun gelöst, mehr wirksam zeigt sich kochendes Wasser im Verlaufe meh-
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rerer Stunden. Das beste, praktisch bewährte Lösungsmittel ist eine kochende Seifenlösung, weshalb man eine solche auch im großen zum Entbasten oder Entschälen der Seide verwendet. Das nach Beendigung der Operation überbleibende Bastseifenbad findet alst Zusatz zum Förbebade der Seide Anwendung und veranlaßt ein gleichmäßiges Aufziehen eines Farbstoffes als ein einfaches wässeriges Bad.

Das Fibroin, die sogenannte entbastete Seide oder Cuite, erleidet beim allzulangen Kochen mit Wasser etwas Schwächung. Das Verhalten gegen Säuren ist ähnlich demjenigen der Wolle, nur mit dem Unterschiede, daß das Fibroin weniger widerstandswähig ist. Die Seidenfaser besitzt die Fähigkeit, aus verdünnten wässerigen Lösungen sogar schon in der Kälte Säuren aufzunehmen und festzuhalten, wodurch die Eigenschaft des Krachens und Rauschens beim Zusammendrücken verstärkt wird. Ätzende Alkalien führen je nach dem Konzentrationsgraf langsamer oder schneller zur Zerstörung. Seifen und Borax sind, wie auch bei der Wolle, ohne jegliche Gefahr verwendbar. Alkalikarbonate wirken weniger nachteilig, wie die ätzenden Alkalien. Oxydationsmittel wie Chlor, unterchlorigsaure Salze, Chromsäure usw. können ihren energischen Reaktionen halber für praktische Zwecke nicht wesentlich in Betracht kommen. Bleichmittel sind auch hier schweflige Säure und Wasserstoffsuperoxyd. Lezteres findet namentlich zum Bleichen von Tussah vielfache Verwendung.

Tussahseide und echte Seide zeigen in ihrem Verhalten zu Säuren und Alkalien beträchtliche Unterschiede. Die erstere löst sich beispielweise in konzentrierter Salzsäure in der Kälte nur unvollständing, selbst nach längerer Einwirkungsdauer, wäh-
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rend die letztere in derselben Zeit vollkommen gelöst wird. Der Widerstansfähigkeit gegen Ätznatron liegt dasselbe Verhältnis zugrunde.

C. Die Kunstseiden.

Das bestechende Äußere der edelsten der Textilfasern, der wohlfällige Glanz und Gridd der Seide, dazu ihre Kostbarkeit, lassen es verständlich erscheinen, daß der menschliche Erfindungsgeist zur Erzeugung naturähnlicher Kunstprodukte angeregt wurde.

In größerem Umfange wurde Kunstseide zuerst von dem Grafen Hilaire de Chardonnet in Besançon etwa seit dem Jahre 1885 hergestellt.

Gegenwärtig unterscheidet man im Handel Nitroseiden, Kupferoxydammoniakseiden und Viskoseseiden. Eine aus Zelluloseacetat herstellbare Kunstseide befindet sich seiden dienen Lösungen von Nitrozellulose in Ätheralkohol, welche durch Glas odetr Platinröhren mit feiner Öffnung von ca. 0.1-0.2 mm Durchmesser in Wasser eingepreßt werden. Der erstarrte Faden kommt zum Aufhaspeln. Zur Gewinnung der Kupferoxydammonseiden stellt man Lözunden von Zellulose in Kupferoxydammonflüssigkeit her und preßt diese durch feine Öffnungen in Fällbäder aus verdünnter Schwefelsäure oder Natronlauge. In ähnlicher Weise erhält man aus Viskose die Viskosenseide, wobei Ammonsalze, Alkalisulfitlösungen als Fällbäder dienen. Die beiden letztgenannten Seiden bestehen aus Zellulose oder Zellulosehydraten. Die Nitroseiden bedürfen, um ihre Leichtenzündbarkeit zu beseitigen, einer Behandlung mit reduzierend wirkenden Substanzen (Schwefelalkalien).

Die Kunstseiden, speziell die Kupferseiden, werden in neuerer Zeit vielfach mit dem Ausdruck Glanzstoff bezeichnet. Sie besitzen zwar mest noch mehr Glanz als die natürliche Seide, stehen jedoch vorläufig in bezug auf Festigkeit und Elastizität weit hinter derselben zurück.

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Trotztdem ist die verwendung von Kunstseide eine sehrvielseitige. X. B. für die Herstellun von Stickgarnen, Spitzen, Besatzartikeln, Kravatten, Phantasiegeweben usw. Gesamtverbrauch järlich schätzungsweide 5½ Millionen Kilo.

Mikroskopisch betrachtet lassen sich die Kunstseiden von der Naturseide ohne Schwierigkeit durch die außerordentliche Breite der einzelnen Fasern, welche die der echten Seidenfaser mit wenigen Ausnahmen sehr wesentlich übertrifft, unterscheiden. Auch die im Wasser eintretende Quellung und dadurch veranlaßte Volum-
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vergrößerung kann die erkennung erlechtern, ebenso die Löslichkeit echter Seide beim Erwärmen in einer 30 prozentigen Natronlauge, in welcher die Kunstseide unlöslich ist (s. Fig. 10).

Die Festigkeit und Lastizität der Kunstseiden bleiben namentlich in feuchtem Zustande weit hinter denjenigen der Naturseide Zurück.


II. Chemikalien und Beizen, welche zum Waschen, Bleichen und Färben der Gespinstfasern Verwendung finden.

Die verschiedenartigen Prozesse, welchen wir die Textilfasern zwecks ihrer Veredlung durch den Wasch-, Bleich- und Färbevorgang unterwerfen müssen, sind gebunden an die Einwirkung einer großen Reihe von chemischen Substanzen. Die Fabrikation derselben macht wieder einen Spezialweig der chemischen Industrie aus.

Je nach ihrer besonderen verwendungsart kan man die zum Gebrauch kommenden Rohstoffe einteilen in solche, welche nur zum Vorbereiten der Gespinstfasern für die zu erzeugende Färbung angewendet werden, also zum Waschen und Bleichen, ohne an dem später folgenden Färgeprozeß beteiligt zu sein, und in solvhe, welche nur bei der Operation des Färbens in Betracht kommen. Letztere können häufig wirkliche Bestandteile der fertiggebildeten Farbe darstellen. - Die erste Klasse von Rohstoffen fällt unter den Begriff der Chemikalien, die zweite saßt man unter dem Namen Beizen zusammen. Gewissermaßen in der Mitte stehen solche Verbindungen, welche bei den Vorbereitungsprozessen, aber auch beim Färben Anwendung finden können. Im letzteren Falle spielen sie jedoch nur
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eine vermittelnde Rolle unsind nicht Bestandteile der fertigen Färbung. Auch diese Körper rechnen wir zu den Chemikalien. Die Technik bedient sich für ihre Zwecke der verschiedensten Formen chemischer Verbindungen.

1. Die Chemikalien.

Verweilen wir zunächst bei den Säuren und Basen, welche eine wichtige Rolle in dem Wasch- und Bleich-prozeß zu spielen berufen sind, so erinnern wir uns der Charaktereigenschaften und des chemischen Begriffes, welcher sich mit den henannten Körpern verbindet.

Die Elemente oder Grundstoffe, welche die uns bekannte Materiesufbauen, zerfallen in zwei Gruppen, in die Metalloide und in die Metalle. Die Vertreter beider Gruppen verbinden sich mit Wasser zu vereinigen. Dabei entstehen als Verbindungsprodukte der Metalloïdoxyde die Säuren, durch Vereinigung der Metalloxyde mit Wasser die Basen.

SO3+H2O = H2SO4; CaO+H2O = Ca(OH)2

Säuren sind Wasserstoff, meist Wasserstoff und Sauerstoff enthaltende Verbindungen, welche den ersteren gegen Metallatome austauschen können. Sie besitzen sauren Geschmack und röten blaues Lackmuspapier. Im Gegensatz zu den Säuren zeigen die Basen, soweit sie sich in Wasser lösen, einen laugenhaften Geschmack, machen rotes Lackmuspapier blau und vereinigen sich unter Wasseraustritt mit Säuren zu Salzen,

Ca(OH)2+H2SO4 = CaSO4 + 2H2O

Säuren und Basen sind, soweit sauerstoffhaltige Säuren in Beracht kommen, hydroxyl(OH)haltige Verbindungen.

Zu den Säuren gehören von den als Mineralsäuren bezeichneten Körpern: Schwefelsäure, Salpetersäure, schwellige Säure, Phosphorsäure, Borsäure.

Organische, d. h. kohlenstoffhaltigen Säuren sind: Essigsäure, Oxalsäure, Weinsäure, Ameisensäute, Milchsäure.

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Basen sind: Natriumhydroxyd (Ätznatron), Kaliumhydroxys (Ätzkali), Calciumoxydhydrat (gelöschter Kalk), Ammoniak (Salmiakgeist).

Unter den Salzen müssen wir drei Gruppen unterscheiden:

1. Die neutralen Salze. In diesem Dalle sind sämtliche ersetzbaren Wasserstoffatome der in Frage kommenden Säuren durch Metallatome vertreten, die entsehenden Verbindungen sind weder sauer noch basich. Hierher gehört der größte Teil der gebräuchlichen Salze.

Die sauren Salze. Es sind Verbindungen, bei welchen die Eigenschaften der Säure vorherrschend geblieben sind, da ein völliger Ersatz aller vertretbaren Wasserstoffatome durch Metallatome nich stattgefunden hat.

3. Die basischen Salze. Ihren Platz finden hier diejenigen Salze, bei welchen win völliger Ausgleich zwischen Säure und Base, ebenso wie im vorhergehenden Fall, nicht eingetreten ist, so daß sich die Base noch im Überschuß befindet. Solche Verbindungen sind speziell in der Färberei zu Beizzwecken gebräuchlich.

Schließlich muß noch hervorgehoben werden, daß es eine große Reihe von Salzen gibt, welche zwar im Sinne obiger Erklärung, also vom chemischen Standpunkte aus, als neutral zu betrachten sind, dennoch aber in ihrer Wirkung aud Lackmuspapier im einen Falle als schwache Basen, im anderen Falle als schwache Säuren ercheinen können. Solche Falle treten ein, wenn sehr starke Basen sich mit schwachen Säuren und ungekehrt ser schwache Basen sick mit sehr starken Säuren zu einem theoretisch neutralen Salze vereinigen.

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Als Doppelsalze endlich bezeichnet man solche Salze, welche aus mehrbasischen Säuren durch Ersaz con Wasserstoffatomen durch verschiedene Metallatome hervorgeben. Z. B. die Alaune


Chemisch neutrale Salze sind: Natriumsulfat (Glaubersalz), Natiumsulfit (schwefligsaures Natron), Natiumthiosulfat (Antichlor), Natriumchlorid (Kochsalz), Natriumtetraborat (Borax), Ammoniumchlorid (Salmiak), Zinnchlorür, Zinnchlorid, Calciumsulfat (Gips), Magnesiumsulfat, Kaliumpermanganat, Natriumkarbonat (Soda), Natriumperborat, Natriumnitrit, Natriumsilikat (Wasserglas), Kaliumpersulfat und andere.

Als saure Salze sind anzuspechen: Natiumbisulfat (saures schwefelsaures Natron, Weinsteinpräparat), Natiumbiulfit (saures schwefligsaures Natron), Kaliumbitartrat (Weinstein, sauers weinsaures Kali) usw.

Basische Salze sind die als Beizen gebräuchlichen Verbindungen: basisch-schwefelsaures Tonerde und basisch-essigsaure Tonerde (basiches Aluminiumsulfat und Azetat), ferner basisch-schwefelsaures Eisenoxyd usw.

Als chemisch neutrale Salze besitzen die Reation von Basen beispielsweise Natriumkarbonat, Borax, Natriumsilikat (Wasserglas), Natriumphosphat.

Saure Reaktion zeigen neutrale Salze wie Aluminiumsulfat, Zinksulfat, Zinnchlorür, Zinnchlorid, Kupfersulfat, Eisensulfat usw.

Als Oxyde und Superoxyde kommen in Betracht: Magneiumoxyd (gebrannte Magnesia), Ätzkalk (gebrannter Kalk), Natsiumsuperoxyd, Baryumsuperoxys, Wasserstoffsuperoxyd.


Die Seifen.

Eine besonders wichtige Rolle spielen die Seifen als Hilfsmittel bei den Prozessen des Waschens, Bleichens und Färbens. Man versteht darunter vom chemi-
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schen Standpunkte die Natron- oder Kalisalze gewisser organischer Säuren, welche ihres Vorkommens in den natürlichen Fetten wegen als Fettsäuren bezeichnet werden. Man gewinnt die Seifen im allegemeinen durch Kochen von Natronlauge oder Kalilauge mit tierischen oder pflanzlichen Fetten. Der chemische Vorgang, welcher sich dabei abspielt und in einer Spaltung des Fettkörpers unter Seifenbildung und Freiwerden von Glyzerin besteht, heißt Verseifung, Rohmaterialien sind beispielsweise Talg, Olivenöl, Palmöl, Baumwollsamenöl einerseits, wässerige konzentrierte Lösungen von Ätznatron, Ätzkali andererseits. - Die Kaliseifen sind weich und heißen Schmierseifen, während die Natronseifen hart sind. Unter den letzteren sind die festen Kernseifen, welche nach vollendetem Verseifungsprozesse durch Aussalzen mittels Kochsalz von der überschüssigen Lauge getrennt werden, von besonderer Bedeutung.

Von einer guten Seife verlangt man eine möglichst neutrale Beschaffenheit mit nut spurweisem Überschuß von freiem Alkali, bei mäßigen Wassergehalt. Eine sehr gesätzte Seife in diesem Sinne ist die Marseiller Seife, welche aus Olivenöl und Natronlaugee gewonnen wird.

Die Schmierseifen bilden im Gegensatz zu den Kernseifen gallertartige durchscheinende Massen, mit überschüssigem Ätzkali und mit Glyzerin verunreinigt.

Die Monopolseife; eine Solfooleat enthaltende, dem Türkischrotöl nahestehende Seife, besitzt die Fähigkeit innerhalb gewisser Grenzen mit Calcium oder Magnesiumsalzlösungen keine Fällungen einzugehen.

Die Verwendung von Seife im großen

zu den Operationen des Waschens und Färbens gründet sich zunächst auf die Fähigkeit des Seifen wassers, Gespinste und Gewebe viel vollständiger und schneller
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zu durchdringen, als dies von reinem Wasser geschieht. In Berührung mit demselben kann ferner ein Zerfall der Seife in saures, fettsaures Natron und in freie Base angenommen werden. Die letztere, das freie Alkali, wirkt lösend auf verunreinigende Substanzen, Fette und dergleichen, welche nun von den sauren fettsauren Salzen umhüllt und and anderweitiger Fetsetzung und Abscheidun verhindert werden. Die Seifenlösung wirkt also großenteils dadurch reinigend, daß sie Fettkörper durch Umhüllung feinstverteilter Teilchen emulgiert und deren Zusammenfließen verhindert. Nachfolgendes Spüöen mit Wasser ermöglicht dann eine gründliche Entfernung aller in Suspension befindlichen Verungreinigungen. Die Behandlung mit Seifenlösungen erteilt den Faserstoffen einen gewissen Grad von Geschmeidigkeit.

Ein zu hoher Gehalt an freiem Alkali in der Seife kann für Seide und Wolle schädlich werden und auch bei manchen Färbeoperationen störend wirken. Ebenso ist ein zu hoher Prozentsatz an unversriftem Fett zu verwerfen. Bei allen Operationen ferner, bei welchen Seife gebraucht wird, ist die Verwendung von stark kalkhaltigem Wasser zu umgehen, da sich andernfalls durch chemische Umsetzung zwischen Seife und Kalksalzen unlösliche und daher wirkungslose Kalkseifen abscheiden. Durch werden der Fettsäuren zersetzt und dabei gleichfalls unwirksam.

Unter der Bezeichnung Softening versteht man Emulsionen von Seifen mit Ölen oder Mischungen von Seifen mit Fettkörpen, vielfach unter Zusats con Stärke und Glyzerin, auch von Wasserglas. Produkte dieser Art sind hauptsächlich zu Appreturzwecken gebräuchlich. Dünne wässerige Emulsionen von Ölen, namentlich von Olivenöl mit Seife, dienen vielfach zum sogenannten Avivieren, d. h. zum Gläzend- und Griffigmachen von gefärbten Waren.

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Die Fette.

Wie sich aus dem Vorausgeschickten ergeben dürfte, begegnen wir in den Fetten einem unentbehrlichen Material für die Seifenfabrikation. Sie besitzen aber auch als solche nicht allzuselten in der Färberei z. B. zur Glanzerzeugung, zum Erschweren, mehr noch in der Appretur bei der Ausrüstung fertiger Waren, gewisse Bedeutung.

Praktisch unterscheidet man die Tier- und Pflanzenfette von den sogenannten Mineralfetten. Letztere können chemisch als Fettkörper überhaupt nicht berachtet werden und sie verdanken diese Bezeichnung nur ihren, den eigentlichen Fetten oft sehr nahestehenden physikalischen Eigenschaften.

Tier- und Pflanzenfette sind Ester der Fettsäuren, z. B. der Stearinsäure, Ölsäure oder Palmitinsäure mit Glyzerin, während die Mineralfette aus Kohlenwasserstoffen von höchst indifferentem Verhalten bestehen, welche unter die große Klasse der Paraffine fallen. Für die Zwecke des Färbers kommen die letzthenannten so gut wie gar nicht in Betracht, dagegen finden sie in der Appretur entweder für sich allein, oder mit anderen Fetten gemischt, Verwendung. Die Paraffine unterscheiden sich durch ihre Unverseifbarkeit von den Tier- und Pflanzenfetten.

Nach ihrer Konsistenz bei gewöhnlicher Temperatur teilt man die Fette ein in feste Fette, halbfeste und flüssige Fette oder Öle. Charakteristisch für Fette und Mineralfette ist die Unlöslichkeit in Wasser, die Löslichkeit in Äther, Petroläther, Benzol und Benzin. Auf Papier wird ein bleibender durchsichtiger Fleck erzeugt.

Die gebräuchlichsten Fetten und Öle sind: Talg, Schmalz, Stearin, Palmöl, Palmkernöl, Olivenöl, Rizinusöl, Baumwollsamenöl, Leinöl.

Physikalisch und chemisch stehen den Fetten die Wachsarten nahe, welche jedoch fast nur für Appreturzwecke in Betracht kommen.

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Die Bleichmittel.

Unter den Chemikalien, welche speziell für die Vorbereitung der Gespinstfasermaterlialien in Frage kommen, beanspruchen die Bleichmittel ein besonderes Intresse. Hierher gehören: Chlor, unterchlorigsaure Salze wie Calciumhypochlorit (Chlorkalk), Natriumhypochlorit (Eau de Javelle) und die schweflige Säure, endlich die bereits erwähnten Superoxyde, Wasserstoffsuperoxyd und Natriumsuperoxyd, Natriumperborat, Natriumpersulfat.

Die Wirkung des Chlors als bleichendes Agens beruht aud seiner hervorragenden Eigenschaft, sich mit dem Wasserstoff des Wassers zu Chlorwasserstoff vereinigen zu können und den Sauerstoff in Freiheit zu setzen, der nun im Momente der Abscheidung die äußerst energischen Oxydationen bewirkt, welche zur Zeströrung von Farbstoffen oder färbenden Körpern führen.

Die Bleichwirkung der unterchlorigsauren Salze, der Hypochlorite, gründet sich auf die Leichetzersetzlichkeit der unterchlorigen Säure unter Abgabe von Sauerstoff oder von Chlor beim Zusammentreffen der Salze mit verdünnten Säuren.

Das wichtigste Bleichsalz ist der Chlorkalk, welchen man durch Einwirkung von Chlorgas auf Ätzkalk fabrikmäßig darstellt. Das im Handel befindliche Produkt bildet ein wißes krümliches Pulver von Eigentümlichem, an Chlor erinnerndem Geruche und sehr hygrospopischer Beschaffenheit infolge des gleichzeitigen Gehaltes an Chlorcalcium. Die Handelswaer wird taxiert nach ihrem Prozentgehalt an wirksamen Chlor. Darunter versteht man diejenige Chlormenge, welche bei der Einwirkung verdünnter Säuren in Freiheit gesetzt wird. Ein gutes Handelspräparat soll etwa 33-35% wirksames Chlor enthalten. - Die Anwendung des Chlorkalks ensteckt sich hauptsächlich auf das Bleichen von Baumwolle, von Leinen und Hanf, wobei man stets klare, wässerige Lösungen von geringer Konzentration, die in der Kälte bereitet werden, verwendet. Sie enthalten den wieksamen Bestandteil Calciumhypochlorit
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in Lösung. Die Bleichkaraft erfährt eine Steigerung durch schwaches Ansäuern der Chlorkalklösung durch Freiwerden von unterchloriger Säure, bzw. durch Auftreten von freiem Chlor. Auch schon durch die Einwirkung der Kohlensäure der Luft werden die Hypochlorite unter Bildung von freier unterchloriger Säure zersetzt. Die letztere fördert die bleichende Wirkung infolge ihrer energischen Sauerstoffabgabe.

Aus diesem Grunde läßt man vielfach die mit Chlorkalklösung getränkte Ware an der stets Kohlensäure enthaltenden Luft liegen, oder führt sie durch ein schwaches Säurebad.

Natriumhypochloritlösung oder Chlorsoda wird in wässeriger Lösung erhalten durch Einwirkung eines elektrischen Stromes auf Kochsalzlösung in sogenannten Elektrolyseuren (elektrische Bleiche).

Unter ganz entgegengesetzten Umständen, wie bei dem Chlor- und den Hypochloriten sehen wir die Bleichwirkung bei der schwefligen Säure vor sich gehen. Begegnen wir im ersten Falle als Ursache einer Oxydation, so können wir im zweiten falle den Grund für die Bleichkraft durch eine Reduktion entstanden denken. - Der unter dem Einfluß der Sauerstoffaufnahme durch Schwefeldioxyd (Schwefligsäureanhydrid) aus dem Wasser freiwerdende Wasserstoff besitzt die Fähigkeit sich mit vielen organischen Farbstoffen zu ungefärbten Verbindungen zu vereinigen. Durch Waschen mit Wasser entfernt man dieselben von den Gespinstfasern ehe durch Luftoxydation eine Rückbildung des Farbstoffes erfolgen kann.


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Das Bleichmittel kommt sowohl in wässeriger Lösung als wässerige schweflige Säure als auch in Gasform als Schwefligsäureanhydrid zum Gebrauch. Die Verwendung tritt namentlich da ein, wo man Chlorkalk seiner aggressiven Wirkung halber vermeiden muß, so zum Bleichen von Seide und Wolle. Auch in solchen Fällen, wo das zum Bleichen verwendete Chlor durch Wässern und Spülen oder mit Sulfiten, welche durch das Chlor oxydiert werden und dieses dadurch unwirksam machen.

Durch Einwirkung von Zinkstaub auf eine Lösung von saurem schwefligsaurem Natrium erhält man Natriumhydrosulfit Na2S2O4. Dasselbe besitzt ein hervorragendes Resuktionsvermögen und findet in der Indigofärberei, sowie zum Abziehen von Farbstoffen, namentlich beim Verarbeiten der Kunstwolle Anwendung. Die Farbenfabriken bringen verschiedene Präparate dieser Art in den Handel, unter welchen die Doppelverbindungen mit Formaldehyd von größerer Haltbarkeit und besonderer Wichtigkeit sind. Z. B. Hyraldit in seinen verschiedenen Marken, Hydrosulfit N. F. Höchst u. a.

Das technisch gebräuchliche Wasserstoffsuperoxyd wird durch Eintragen von feinzerteiltem Baryumsuperoxyd in verdünnte Schwefelsäure bei niederen temperaturen erhalten. Die Lösung des Handelspräparates enthält in der Regel 3% Wasserstoffsuperoxyd.

Das in seiner Wirkung ähnliche natriumsuperoxyd kommt als gelblich weißes Pulver in den Handel, welches and der Luft allmählich Wasser- und Kohlendioxyd aufnimmt, und dabei unter Abgabe von Sauerstoff und Übergang in Natriumkarbonat wertlos wird. Natriumsuperoxyd dient an Stelle des teureren Wasserstoffsuperoxydes zum Bleichen von Fasern und Stoffen jeder Art, speziell zum Bleichen von Tussah, von Wollwaren und von Seide. Pernatrol ist ein Spueroxydpräparat mit Seifenzusatz. - Die bleichende Kraft der beiden Körper beruht ähnlich wie beim Chlorkalk auf einer Oxydation durch den aus dem Superoxydmolekül leicht abspaltbaren und dann im Entstehungszustande energisch wir-
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kunden Sauerstoff. Aus Natriumsuperoxyd erhält man durch Eintragen in mit Schwefelsäure angesäuertes Wasser eine Lösung von Wasserstoffsuperoxyd. Darauf gründet sich seine Verwerdung.

Einen Forschritt in der Erzeugung der Oxydations- und Bleichmittel bedeutet die Herstellung der sauerstoffreichen Persalze, der Persulfate, Perborate und Perkarbonate Namentlich ist das Perborat seiner langsamen Zersetsung und allmählichen oxydationswirkung halber ein ausgezeichnetes Bleichmittel, das die Faser nicht angreift. Ein seifen- und wasserglashaltiges Perborat ist das Persil.

2. Die Beizen.

Werfen wie nunmehr einen Blick auf diejenigen chemischen Körper, welche in dem früher angeführten Sinne für die Zwecke des Beizens in der Färberei herangezogen werden, so begegnen wir vorwiegend Salzen der Schwermetalle, welche teils als neutrale, teils als basische Salze zur Anwendung kommen. In zweiter Linie finden organische, dem Pflanzenreiche entstammende Körper, wie Gerbsäuren, auch Fettsäuren, hier ihre Stelle. - Der dem Färbeprozeß in vielen Fällen vorausgehende Beizprozeß bezweckt, die Faser in Einen Zustand überzuführen, welcher sie zur Aufnahme des gewünschten Farbstoffes geeignet macht. Die Wahl der Beize ist abhängig von der Natur des in Betracht kommenden Farbstoffes. Sie ist weiter abhängig von dem Verhalten und den Eigenschaften der Faser, auf welcher der Farbstoff fixiert werden soll. Prinzipiell bezweckt man mt Hilfe der Beize eine möglichst dauerhafte Befestigung
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des Farbstoffes auf der Faser, die Bildung eines sogenannten farblackes. - Eine grpße Reihe von Farbstoffen sind ihrer chemischen Beschaffenheit nach als Säuren (Farbstoffsäuren) anzufassen. Bei der Befestigung auf der Faser wird man daher danach streben, auf dieser aus der Beizflüssigkeit ein Metallhydroxyd oder ein unlösliches basisches Salz niederzuschlagen, welches mit der Farbsäure eine unlösliche Verbindung in Gestalt eines Salzes eingehen kann. Bei solchen Farbstoffen, welche ihrer chemischen Natur nach als Basen zu betrachten sind, sucht man zwecks Befestigens auf einer Faser diese zuvor mit einer Säure geeigneter Weise in Verbindung zu bringen.

Wir werden später sehen, daß bei der Erzeugung von Farben auf den Gespinstfasern, je nach der Natur des zu färbenden Materiales und der zur Verwendung gelangenden Farbstoffe, Beizen ebensogut entbehrlich sein können, wie sie in anderen Fällen ein unbedingtes Erfordernis sind. - Um farblackbildende Substanzen vor dem Färben in unlöslichem Zustande auf der Faser niederzuschlagen, benutzt man hauptsächlich Lösungen von solchen Metallsalzen, welche durch die Abgabe von Säuren leicht in Oxydhydrate verwandelt werden, oder durch die Einwirkung von Fällungsmitteln ohne Mühe in solche übergehen. Oft spielen sich derartige Zersetzungen unter Abspaltung der Säure schon in der Wärme bei großer Verdünnung mit Wasser unter dem Einfluß der Faser ab. In dieser Beziehung leisten namentlich die leicht dissoziierbaren Metallsalze der Essigsäure schätzenwerte Dienste.

Von Metallsalzen finden als Beizen vorenhmlich Verwendung diejenigen des Akuminiums als Tonerde-
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beizen, diejenigen des Eisens als Eisenbeizen, diejenen des Zinns als Zinnbeizen. Ferner sind Salze des Chromoxydes, des Antimons, des Kupfers und Mangans als Chrom-, Antimon-, Kupfer- und Manganbeizen gebräuchlich und schließlich wären noch die sehr wihctigen Chromate wie Kalium- und Natriumbichromat hier anzuschließen. Die oben erwähnten Metallbeizen treten uns entweder als Sulfate, als Acetate, Salze oder Doppelsalze organischer Säuren überhaupt oder als Chloride, Fluoride, auch als Nitrate entgegen. - In vielen Fällen bewirken die auf der Faser niedergeschlagenen Metalloxyde oder Oxydhydrate neben der Befestigung des Farbstoffes gleichzeitig auch eine Beeinflussung des Farbtons.

Während die Darstellung der gebräuchlichen Beizen in früheren Zeiten in den meisten Fällen dem Färber selbst zufiel, wird heitzutage der Bedarf überwiegend durch die Handelsprodukte chemischer Fabriken gedeckt, welche sich bei dem umfangreichen und lohnenden Absatzgebiete für Färbereichemikalien und Beizen der Produktion solcher Artikel vielfach speziell zugewandt haben.

Als Zusätze zu den Färbebädern kommen für bestimmte, später zu betrachtende Fälle, gewisse Salze in Betracht, um die Abscheidung der Farbstoffe aud der Faser zu begünstigen. Z. B. Soda, Glaubersalz, Kochsalz, Natriumphosphat. Zum Lösen und Färben der Schwefelfarbstoffe dient Schwefelnatrium.

Organische Beizen.

Für die Befestigung von basichsen farbstoffen in der Baumwollfärberei nehmen die Gerbstoffe meist in Form von Auszügen gerbstoffhaltiger Pflanzenteile
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das Intresse besonders in Anspruch. Auch die Seidenfärberei ist hervorragend auf die Anwendung von Gerbstoffen angewiesen.

Unter Gerbstoffen versteht man, ganz allgemein ausgesrückt, Substanzen pflanzlicher Abstannung, welche imstande sind, tierische Haut in Leder zu verwandeln. Die wirksamen Bestandteile besitzen großenteils den Charakter von Säuren, unter welchen die wichtigste und bestgekannste die Gallusgerbsäure, das Tannin, ist. Die Verwendung in der Färberei gründet sich auf die Fähigkeit der Baumwolle und seide, diese Körper aufzunehmen und auf die Eigenschaft der Gerbsäuren, mit Schwermetalloxyden oder mit Antimonxyd einerseits und mit basischen Farbstoffen andererseits schwerlösliche Verbindungen einzugehen, welche als Farblacke geschätzt sind. - Als Rohmaterialien gelangen zur Extraktion Galläpfel, Sumach, Dividivifrüchte, Myrobolanen. In Extraktform ercscheinen im Handel Gallusextrakt, Sumachextrakt, Kastanienextrakt und auch das Catechu mag einstweilen schon hier seine Stelle finden. - In erster Reihe steht jedoch unter den Gerbstoffbeizen das Tannin, welches in den asiatischen Galläpfeln enthalten ist und daraus isoliert wird. Im Mittel entspechen 1 Kilo Tannin 4 Kilo Sumachblätter, 2 Kilo Sumachextrakt 36° Bé, 1,4 Kilo Galläpfel, 3 Kilo Myrobolanen.

Von Ölbeizen, die vorzugsweise zur Erzeugung von Alizarinfarben auf der Faser Verwendung finden, z. B. zur Herstellung von Türkischrot, ist das Türkischrotöl zu nennen. - Mit diesem Namen bezeichnet man Handelsprodukte, welche hauptsächlich durch die Einwirkung konzentrierter Schwefelsäure auf Rizinusöl,
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weniger auf Olivenöl hergestellt sind. Das Rizinusöl enthält das Triglyzerid der Rizinolsäure, einer Alkoholsäure von der Formel:

welche sich zumTeil mit der Schwefelsäure verestert. Unter einem Triglyzeird versteht man einen Ester des Glyzerins mit drei Molekülen einer Fettsäure, also in diesem Falle mit drei Molekülen Rizinolsäure. Die konzentrierte Schwefelsäure bewirkt den Zerfall des Esters unter Abspaltung von freier Rizinolsäure. - Im wesentlichen besteht das Türkischrotöl des Handels aus einem Gemisch von Rizinolschwefelsäureester, Rizinolsäure und Polyrizinolsäure, die in Form von Natrium oder Ammonsalzen zugegen sind. Diesen Bestandteilen gesellt sich noch eine größere oder kleinere Menge von Tryglyzerid, dem Neutralfett hinzu, und außerdem Wasser in wechselnden Mengen. Der an Alkali gebundene Schwefelsäureester der Rizinolsäure führt gewohnlich den Namen Sulfooleat. Präparate dieser Art emulgieren sich besonders leicht mit Wasser und bieten dann ein äußerst inniges Gemisch von Fetten und Seifen dar. Sulfooleathaltige Präparate sind die Turkonöle, das Monopolöl, die Monopolseife und die Isoseife. Paraseife wird durch teilweise Neutralisation von Rizinolsäure mit Ammoniak erhalten.

Lösungen und ihre Eigenschaften.

Die vorstehend berührten Chemikalien und Beizen sind entweder feste Körper oder Flüssigkeiten, nur ausnahmsweise kommen Gase, z. B. Schwefeldioxyd oder
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Chlor, zum Gebrauch. Feste Körper gelangen als soclhe nur in wenigen Fällen und dann gewöhnlich in Wasser suspendiert, wie Kreide oder Magnesia, zur Verwendung. Die Regel besteht darin, die festen Substanzen vor dem Gebrauch in eine Lösung, in den meisten Fällen in eine wässerige Lösung, überzuführen und diese zur Einwirkung zu bringen. Unter Lösungen versteht man allgemein betrachtet Gemische verschiedener Stoffe, welche in ihren Teilen völlig gleichartig und homogen sind und durch rein mechanische Hilfsmittel in ihre Einzelbestandteile nicht wieder zerlegt werden können. Die Mischung der einzelnen Teilchen des gelösten festen Körpers mit denjenigen des Lösungmittels ist eine äußerst feine, die gegenseitihe Durchdringung ist eine so bedeutende, wie sie niemals beim Mishcen feinzerteilter fester Körper allein erreicht werden kann. - Unter den Begriff der Lösungen fällt auch die Mischung von Flüssigkeiten, welche sich gegenseitig so durchdringen, daß auch nach längerem Stehen keine Ausscheidung eintritt. Endlich muß die Aufnahme von Gasen durch Flüssigkeiten als Lösung bezeichnet werden.

Außer dem Hauptlösungsmittel, dem Wasser, finden für die Zwecke der Färberei in gewissen Fällen noch folgende Körper Verwendung:

Weingeist (Spiritus, Alkohol) kommt meist in denaturiertem Zustande zum Lösen mancher in Wasser schwerlöslichen Farbstoffe in Betracht. Aceton, Methylalkohol, Acetin.

Glyzerin, als ausnahmsweises Lösungmittel für Farbstoffe gebräuchlich.

Fettlöslungsmittel sind: Benzin, Belzol, Terpentinöl, Äther, Schwefelkohlenstoff, Amylalkohol, Tetrachlorkohlenstoff.

Die Löslichkeit eines Körpers in Wasser oder in einem anderen Lösungsmittel wächst in der Regel mit
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steigender Temperatur. Bei einer bestimmten Temperatur löst sich nur eine bestimmte Menge der Substanz. Ist die Grenze der Wirksamkeit des Lösungsmittels für einen besonderen Temperaturgraf erreicht, so nennen wir die Lösung: eine bei dieser speziellen Temperatur gesättigte Lösung. Sinkt die Temperatur der Lösung von der Höhe, bei welcher die Sättigung stattfand, herab, so scheidet sich sehr bald ein Teil der gelösten Substanz wieder aus.

Die moderne Wissenschaft vertritt den Standpunkt, daß sowohl die Moleküle der Säuren, wie der Basen und auch der Salze in wässerigen Lösungen in Atome und Radikale, beziehungsweise metallische und nichtmetallische Bestandteile, in die sogenannten Ionen zerfallen. Bei den Säuren bilden sich elektropositiv geladene Wasserstoffionen und elektronegative Ionen, welche den Sauerstoff der Säuren enthalten oder bei sauerstofffreien Säuren des Metalloïd allein.

Unter gleichen Bedingungen zerfallen die Basen, die in Wasser löslichen Hydroxyde der Metalle, in elektronegativ geladene Hydroxylionen und in elektropositiv geladene Metallionen z.B.

Salze zerfallen in ein positiv geladenes Metallion und in das aus dem negativen Säurerest bestehende Ion.

Diese Spaltung in Ionen tritt umso vollständiger ein, je verdünnter die wässerige Lösung ist. Die Moleküle, d. h. die kleinsten Teilchen einer chemischen Verbindung (H2SO4NaCl usw.) befinden sich in einer Flüssigkeit in ständiger Bewegung. Unter der Voraussetzung, daß die Ionen bereits in den Molekülen der gelösten Körper mit ihrer entgegengeseitzten Ladung vorhanden sind, ist anzunehmen, daß sich entgegengesetzt geladene Ionen aus dem Verbande verschiedener Moleküle freimachen und zu neuen Molekülen gleicher Art verschmelzen. Die zurückbleibenden Ionen verhalten sich ebenso.

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Nach dieser Auffasung würde eine fortgesetzte Trennung und Wiedervereinigung stattfinden und neben den elektrisch neutralen Molekülen können sich die durch Dissoziation entstandenen positiv und negativ geladenen Ionen durch die Flüssigkeit bewegen.

Leitet man einen elektrischen Strom durch die Flüssigkeit, so wandern die elektronegatic geladenen Ionen nach der positiven Elektrode (Anode), man heißt sie daher Anionen. Die elektropositiv geladenen Ionen dagegen bewegen sich der negativen Elektrode (Kathode) zu, sie heißen Kationen. An den Elektroden werden die Ionen in Freiheit gesetzt. Die Zerlekung der Lösung eines Körpers in Kationen und Anionen mit Hilfe des elektrischen Stromes heißt man Elektrolyse. Säuren, Basen und Salze, welche den Strom in wässerigen Lösungen leiten, sind Elektrolyte.

Unter Zugrunddelegung dieser Anschauungen muß sich die Salzbildung zwischen Base und Säure in wässerigen Lösungen nicht zwischen den Molekülen abspielen, sondern zwischen den Ionen. Die Base NaOH ist beispielsweise zerfallen in das Ion Na und das Hydroxyl OH, die Säure HCl in das Ion H und das Metalloïd Cl.

Das Wasser besitzt einen äußerst geringen Dissoziationsgrad und das Molekül desselben entseht überall da, wo H und OH Ionen zusammentreffen.

Die Stärke einer Säure oder Base wird durch die Anzahl der freien Ionen bestimmt, d. h. also durch den Grad der Dissoziation. In sehr großer Verdünnung sind alle Basen und Säuren gleichstark, da die stattgehabte Dissoziation gleichstark ist. Als starke Säuren bezeichnet man Salpetersäure, Salzsäure, Schwefelsäure, Phosphorsäure, Essigsäure. Starke Basen sind Natrium und Kalium-hydroxyd, Bariumhydroxyd, Calciumhydroxyd.

Salze schwacher Säuren mit starken Basen oder schwacher Basen mit starken Säuren erleiden durch die Wirkung des Wassers einen hydrolytischen Zerfall in Base und Säure. Während die schwache Säure oder die schwache Base in der Lösung nur wenig dissoziiert ist, erleidet die starke Base oder starke Säure in hervorragendem Maße Dissoziation und macht
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sich in diesem Sinne in ihrer Wirkung auf Lackmuspapier bemerkbar. Auf diese Weise läßt sich die alkalische oder saure Reaktion chemisch neturaler Salze erklären, welche aus starken Basen und schwachen Säuren oder aus schwachen Basem mit starken Säuren gebildet sind.

Außer den Lösungen genannter Art gibt es Lösungen, welche dem Auge zwar ebenso hmogen erscheinen als die ersteren, trotzdem aber nur eine äußerst feine Zerteilung von Stoffen in Flüssigkeiten, in Gestalt von Suspensionen gewissermaßen darstellen, welche als solche unter Umständen zur Abscheidung kommen können. Solche Flüssigkeiten nennt man kolloide Lösungen. Sie besitzen im Gegensatz zu den Lösungen von Salzen, Säuren usw. nur geringe elektrische Leitfähigkeit und sind nicht imstande tierische Membranen zu durchdringen. Substanzen, welche kolloïde Lösungen bilden sind Aluminiumhydroxys, Eisenhydroxyd, Kieselsäure, Stärke, Gummi, Pflanzenschleime, Leim usw. Durch Zusatz von Elektrolyten, Temperaturänderungen usw. geht die kolloide Lösung unter Abscheidung ihrer Bestandteile in amorphem Zustande, aus dem Zustande des Sols in den Zustand des Gels über.

Im obigen war die Rede von der Wiedergewinnung fester, in Lösung befindlicher Körper durch Verdampfen des Lösungsmittels. Die Verdampfung wird erreicht, wenn man das Lösungsmittel, z. B. das Wasser, auf seinen Siedepunkt erhitzt, d. h. bis zu demjenigen Temperaturgraf, bei welchem die Spannkraft des gesättigten Dampfes gleich dem darauf lastenden Atmosphärendruck ist. Beim Normaldruck der Atmosphäher, welcher eine Quecksilbersäule von 760 mm Höhe das Gleichgewicht hält, liegt der Siedepunkt des Wassers bekanntlich bei 100°C. Sind jedoch in dem Wasser Salze aufgelöst, so wird der Siedepunkt desselben oft bedeutend erhöht. Der Grad der Erhöhung ist abhängig von der Natur des Salzes und von der Menge desselben, die sich in Lösung befindet.

So siedet z.B. eine Lösung von 50 teilen wasserfreiem Chlorcalcium in 100 Teilen Wasser bei 112°, eine solche von 100 Teilen Chlorcalcium in der gleichen Menge Wasser bei 128°, eine solche, welche 200 Teile Chlorcalcium auf 100 Teile Wasser enthält, bei 158°. Dagegen liegt der Siedepunkt einer gesättigten Kochsalzlösung bei 108°.

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Im Gegensatz zur Verdampfung des Lösungsmittels steht die Verdunstung desselben, welche je nach Umständen, z. B. bei leicht flüchtigen Körpern wie Äther oder Benzin, schon bei gewöhnlicher Temperatur vor sich gehen kann.

Beim Auflösen eines festen Körpers in Wasser läßt sich in sehr vielen Fällen eine Wärmeverminderung beobachten. Salze, welche eine derartige Temperaturherabsetzung in außerordentlichen Maße bewirken, werden zur künstlichen Erzeugung von Kälte, zur Herstellung sogenannter Kältemischungen, verwendet. Z. B. läßt sich durch Auflösen von 5 teilen Chlorammonium, 5 teilen Salpeter, 8 Teilen Glaubersalz in 16 Teilen Wasser ein Temperaturfall bis zu - 20° erreichen. Bein Mischen von 100 Teilen Schnee oder Eis mit 32 Teilen Kochsalz erhält man ein niedergehen der Temperatur bis zu -21°.

Konzentrationsmessungen

Der Praktiker sieht sich häufig in der Lage, den Gehalt einer Lösung an gelösten Bestandlteilen feststellen zu müssen. Soweit es sich um die Prüfung von Flüssigkeiten handelt, welche nur einen Körper in Lösung enthalten, läßt sich die Wertbestimmung in diesem Sinne, die Erkennung der Stärke de Lösung oder der Konzentration, durch die Dichtigkeitsprobe, d. h. mit Hilfe des spezifischen Gewichtes bewerkstelligen. Die Bestimmung des spezifischen Gewichtes geschieht in der Praxis unter Benutzung einer Aräometerspindel. Dieselbe besteht aus einem größeren oder kleineren Glasröhrchen, das oben und unten geschlossen ist und in einer teils mit Luft, teils mit Quecksilber gefüllten Kugel endigt. Auf dem Glasrohre befindet sich eine Skala, deren Marken den spezifischen Gewichten, für deren Bestimmung das Aräometer dienen soll, entsprechen. Man findet das spezifische Gewicht durch Einsinkenlassen der Spindel in die betreffende Flüssigkeit und Ablesen desjenigen Skalenteiles, welcher von dem Flüssigkeitsspiegel erreicht wird. Die meisten aräometer sind für den Gebrauch bei 15°C eingerichtet.

Mit wenigen Ausnahmen steigt das spezifische Gewicht mit der Konzentration der Lösung und sinkt mitzunehmender Verdünnung. Das verhältnis zwischen dem ermittelten spezifischen Gewichte und dem Gehalt einer
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Flüssigkeit an gelöster Substanz ersieht man aus Tabellen, welche zur Ermittelung des Konzentrationsgrades von fast allen in der Färberei vorwiegend zur Verwendung gelangenden Läsungen entworfen sind. Dieselben ermöglichen es hinter dem Datum des spezifischen Gewichtes direkt den prozentualen Gehalt ablesen zu können.

Außer dem genannten Instrumente zur Messung der Lösungsstärke gibt es auch solche, welche eine willkürliche Einteilung nach Graden aufweisen. Am meisten Verwendung findet in der Färberei das Aräometer nach Beaumé. Die Einteilung desselben wird in der Art erhalten, daß der zuoberst an dem Glasrohr gelegene Wasserpunkt mit 0 und der beim Einsenken in eine Lösung von 10 Teilen Kochsalz in 90 Teilen Wasser erhaltene Punkt mit 10 bezeichnet wird. Den Raum zwischen 1 und 10 teilt man in 10 gleiche Teile und verlängert die Teilung über 10 hinaus nach unten bis zu 72. Jeder Teilstrich entspricht einem Grade Beaumé. Bei dieser Art der Einteilung können Ungenauigkeiten nicht vermieden werden. Die Angabe nach Graden Beaumé ist jedoch eine sehr bequeme, und die danach ausgeführten Messungen sind für die technischen Zwecke ausreichend, so daß die Beauméspindel allgemein in der Färbereipraxis zur Verwendung kommt.

Der Einfachheit halber werden Bäder, beizflüssigkeiten und Lösungen aller Art, welche zum Färben gebraucht werden, nicht mit ihrem Prozenthalt angegeben, sondern nach Graden Beaumé, Der praktische Färber hat dann direkt ein Maß für die Stärke einer Lösung, und ersicht daraus, ob ihre Konzentration für die ins Auge gefaßte Verwendung geeignet ist.

Die Umrechnung von Beaumégraden in das entsprechendespezifische Gewicht gelingt nach der Formel:

für Flüssigkeiten vom spez. Gew. über 1,00.

für Flüssigkeiten vom spez. Gew. unter 1,00; a bezeichnet die Anzahl Beaumégrade.

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Auch die Beaumémeter sind gewöhnlich für Temperaturen von 15°C vorgesehen.

Temperaturmessungen.

Ebenso wie die Konzentration der Lösungen, spielt auch die temperatur derselben vei allen Verwendungsarten im großen eine hervorragende Rolle. Im Betriebe der Wäscherei und Färberei gehören daher Temperaturmessungen zu den fortlaufend vorgenommenen und unerläßlichen Ausführungen, sei es, daß man den Wärmegrad von Bädern oder Beizflüssigkeiten feststellt, sei es, daß beim Trocknen oder Verhängen von Waren der Temperatur besondere Beachtung zu schenken ist. - Zu temperaturmessungen bedient man sich des Thermometers. In Deutschland sind hauptsächlich zwei Arten von thermometer in Gebrauch, dashenige mit der achtzigteiligen Skala nach Réaumur und das Celsiussche mit hundertteiliger Skala1: Akke un bacgfolgenden angegebenen Thermometergrade sind Celciusgrade, wenn nicht besonders R angegeben ist. Für wissenschaftlige Zercke findet das erstere gerade in der Färberei noch einem ausgedehnten Gebrauche unterzogen wird.

Jedem Thermometer liegen bekanntlich zwei Fixpunkte bei der Einteilung zugrunde. Der eine, der Nullpunkt, wird durch die Temperatur des schmelzenden Eises bestimmt, während der Endpunkt nach oben aus der Temperatur des bei 760 mm Druck siedenden Wassers ermittelt wird. Réaumur teilte den Zwischenraum zwischen beiden Punkten, welcher sich durch die Ausdehnung einer Quecksilbersäule ergibt, in 80 Grade, Celsius dagegen in 100 Grade ein. Nach Réaumur liegt der Siedepunkt des Wassers alsdann bei 80°, nach Celsius bei 100°. Um daher Réamurgrade in Celsiusgrade umzurechnen, multipliziert man mit 5 und dividiert das Produkt durch 4. Umgekehrt verwaldelt man Celsiusgrade in solche nach Réaumur durch Multiplikation mit 4 und durch Division des Produktes durch 5.


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III. Die Farbstoffe

Die Farbstoffe, welche dem Färber für seine Zwecke zur Verfügnung stehen, lassen sich ihrer Herkunft nach in zwei große Klassen einteilen, in die natürlichen und und in die künstlichen Farbstoffe.

1. Die natürlichen Farbstoffe

Dieselben entstammen vorwiegend dem Pflazenweniger dem Tierreiche, Entweder sind es die Wurzeln, das Holz, die Stengel, oder die Blätter, ja auch die Blüten der Pflanzen, welche den Farbstoff hergeben. Die entsprechenden Pflanzenteile gelangen entweder direkt als solche z. B. als Farbhölzer in den Handel, oder es werden die wirksamen Bestandteile daraus isoliert und kommen in Extraktform zum Gebrauch. In anderen Fällen gelingt die Nutzbarmachung der in den Pflanzenzellen schlummernden Farbstoffkräfte erst unter dem Einflusse chemischer Prozesse. - Die meisten der hierhergehörigen Farbstoffe sind schwche Säuren und lassen sich nur mit Hilfe von Beizen auf der Faser bestigen, wenige von ihnen können direkt ohne Mithilfe verbindender Agentier übertragen werden.

a) Natürliche pflanzliche Farbstoffe

Als wichtigster Naturfarbstoff galt bis in die neueste Zeit der Indigo. Seine Anwendung auf dem Färbereigebiete ist uralt. Schon die alten Ägypter und Inder haben sich seiner bedient. Der Indigo findet sich in den Pflanzen, welche zu seiner gewinnung dienen, nicht in fertigem Zustande, er ist darin in Form eines Körpers enthalten, welchen man zu den Glykosiden rechnet. Unter diesen versteht man Verbindungen, die sich unter bestimmten
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Einflüssen, z. B. durch Gärung, in einen neuen Körper und in eine Zuckerart spalten. In manchen Fällen ist dieses neben eine Zuckerart spalten. In manchen Fällen ist dieses neben dem Zucker entstehende Spaltungsprodukt ein Farbstoff. Das Glykosid der Indigopflanzen heißt Indikan und spaltet sich in Indigoblau und in Traubenzucker.

Für die Gewinnung des natürlichen Indigo in großem Maßstabe kommen als wichtigste Stammpflanzen verschiedene Indigoferaarten, z. B. Indigofera tinctoria, Indigofera Anil, Indigofera argentea in Betracht, welche hauptsächlich in Ostindien, ferner auch in Java, Manila, Bengalen, Madras und in Zentralamerika kultiviert werden. Aber auch die in Europa, namentlich in Deutschland, besonders in früheren Zeiten für die Zwecke der Blaufärberei viel gebaute Waidpflanze Isatis tinctoria enthält, wenn auch in bedeutend geringerer Menge wie oben genannten Pflanzen, die Indigo erzeugende Substanz. Ihre Blätter werden gemahlen, mit Wasser einem Gärungsprozesse überlassen und zusammen mit fertigen Indigo in der Sogenannten Waidküpe verwendet.

Zur Gewinnung des Handelsindigo aus der Indigopflanze werden die nahe der Wurzel abgeschnittenen Stengel bündelweise in geräumigen, zisternenartigen Behältern mit Wasser und Kalkmilch einem Gärungsprozesse unterworfen. Nach der im Verlaufe mehrerer Tage beendigten Gärung läßt man die Flüssigkeit in die Schlagküpen austreten, wo sie mit Hilfe von Rührwerken bei etwa 30° mit Luft in möglichst innige Berührung gebracht wird. Die anfangs gelbe Lösung wird zuerst grün, dann scheiden sich flockige Massen ab. Durch Absitzenlassen derselben trennt man von der Flüssigkeit, läßt diese ablaufen und kocht den Rückstand wiederholt aus, um weitere Gärungen, welche zu Zersetzungen führen würden, auszuschließen. Nach dem Ablaufen und Abpressen des Wassers wird unter Luft-
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zutritt vorscihtig getrocknet. Das do gewonnene tief blau, oft auch schmutzig blau aussehende Produkt ist kein einheitlicher Körper, sondern ein Gemisch von mehreren Substanzen, deren wichtigste und in größtem Prozentsatz vorhandene das Indigotin oder Indigoblau, der eigentliche Indigofarbstoff, ist. Neben diesem stehen in wechselnden, untergeordneten Mengen Indigobraun, Indigorot, Indigoleim, ferner Kalk und andere mineralische Stoffe. - Im Großhandel erscheint der Indigo in Gestalt größerer oder kleinerer Brocken von tiefblauer bis graublauer Farbe mit oft kupferigem Reflex an den Bruchstellen. Die verschiedenen Handelsmarken sind je nach der Art und Weise der Darstellung oder von klimatischen Umständen abhängig bezüglich ihres Indigotingehaltes sehr abweichend voneinander.

Infolge seiner Unlöslichekeit in Wasser, Alkohol und in verdünnten Säuren sowie in Alkalien kann der Indigo direkt für die Färbereizwecke als solcher nicht verwendet werden. Unter der Einwirkung reduzierender, d. h. Sauerstoff wegnehmender oder Wasserstoff abgebender Substanzen, erleidet derselbe jedoch eine Umwandlung in einen in alkalischen Flüssigkeiten löslichen Körper, welchen man Indigoweiß nennt. Durch Oxydationsmittel, schon durch den Luftsauerstoff, geht das Indigoweiß wieder in das unlösliche Indigoblau über, und gerade auf diese Tatsache gründet sich die Methode, mit Hilfe deren man den Indigo auf die Faser überträgt. - Eine Lösung von Indigo ist jedoch auch möglich durch Behandlung des feingepulverten Körpers mit konzentrierter Schwefelsäure in der Wärme. Auf diese Weise entstehen wasserlösliche Präparate, sogenannte Sulfonsäuren des Indigo, welche in der Wollen- und
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auch ab und zu in der Seidenfärberei Verwendung finden. Dieselben machen gewöhnlich in Form och Natronsalzen den Hauptbestandteil der unter dem Namen Indigoextrakt, Indigokarmin im Handel befindlichen Produkte aus. - Der Indigo dient in ausgedehntem Maße zum Färben von Baumwolle, Leinen und Wolle und zwar sowohl zue Erzeugung von Blau als auch zum Hervorbringen von Mischtönen.

Die Kenntnis der chemischen Konstitution der Indigo, beziehungsweise seines wirksamen Bestandteiles des Indigotins, verdanken wir Adolf von Baeyer. Die seit einer Reihe von Jahren von den Farbenfabriken auf künstlichem Wege gewonnen und dem Handel zugeführten Indigomarken haben den Naturindigo nahenzu vollständig verdrängt und überflüssig gemacht. Die Kunstprodukte garantieren eine gleichmäßige Zusammensetzung, übertreffen den Naturindigo and Reinheit und sind, wie noch sehen werden, Ablämmlinge des Steinkohlenteeres.

Blauholz.

Das Blauhold oder Campecheholz ist das von der Rinde und dem Splint befreite Kernholz von Haematocylon campechianum. Besonders geschätzt sind die Handelssorten von Jamaika und von Honduras. Dieselben ercheinen auf dem Markte in Gestalt großer Blöcke von äußerlich braunroter bis gelbbrauner Farbe. Wie in der Indigopflanze, so ist auch in dem frischen Blauholz ein Glykosid enthalten, welches sich in Hämatoxylin durch Oxydation des in dem gelagerten Blauholz enthaltenen Hämatoxylins in Hämaterin bewirkt man durch den Fermentierungsprozeß, welchem das Blauholz vor seiner Anwendung in der Färberei
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unterworfen wird. Die geraspelten Späne werden mit Wasser stark angefeuchtet, in durchlüfteten Räumen bei mittlerer Temperatur auf HAuden geschichtet und öfters ungeschaufelt. Das Ansteigem der Temperatur durch Selbsterwärmung ist dabei sorgfältig zu kontrolieren, da eine Überhitzung zur Zeströrung des Farbstoffes führen kann. Eine vollständige Oxydation des Hämatoxylins findet in der Regel nicht statt, so daß wässerige Auszüge des fermentierten, oder wie man auch sagt, des gereiften Blauholzes meist beide Bestandteile nobeneinander enthalten. - Die Anwendung des Blauholzes zum Färben erfolgt entweder direkt durch Zusatz des gereifen, möglichst dein gemahlenen Blauholzes zum Färbebade, oder in Form einer vorher bereiteten wässerigen Abkochung.

Von großer Bedeutung sind ferner die Bauholzextrakte, welche häufig aus nicht fermentiertem Holze durch Auskochen unter Druck und nachfolgendes Konzentrieren der Lösung erhalten werden. Es kommen sowohl flüssige, als auch nahezu feste Extrakte im Handel vor, welche je nach ihrer Darstellung überwiegend Hämatoxylin enthalten können.

Für den praktischen Gebrauch kann es daher in manchen Fällen nicht ganz gleichgültig sein, ob man die Abkochung von fermentiertem Blauholz oder die Extrakte verwendet. Hämatoxylin enthaltende Extrakte erfordern oxydierend wirkende Beizen, welche die Bildung von Hämateïn begünstigen, während man für hamateïnhaltige Abkochungen mehr die schwach oder nicht oxydierenden Beizen vorzieht, da Oxydationen den Hämateïnfarbstoff unwirksam machen können. Daraus geht gleichzeitig hervor, daßdas Blauholz bzw. seine farbstoffe stets unter Mitwirkung von Beizen gefärbt werden. Die Abkochung von dermentiertem Blauholz wird durch Mineralsäuren stark rot gefärbt, währent Natronlauge oder Kalilauge, überhaupt die Lösungen starker Basen, je nach der Wahl des Mittels, purpurne bis violette Färbungen erzeugen, die meist allmählich in braun umschlagen. Die einzelnen Metallbeizen rufen mit Blauholz-
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abkochungen verschieden gefärbte Fällungen hervor. Auf der Bildung dieser Farblacke beruht die Anwendung in der Baumwollen-, Wollen- und Seidenfärberei. Mit Eisenbeizen erhält man Schwarz, mit Tonerdebeizen Blau, mit Chrombeizen Schwarzblau, mit Kupferbeizen Grünlich-schwarz, mit Zinnbeizen Violett. Seine Hauptanwendung findet das Blauholz in der Seidenschwarzfärberei.

Gelbholz.
Dieses Farbholz kommt von Mexico und Brasilien aud in den Handel und ist das Stammholz eines Baumes, der den Namen Morus tinctoria träht. Seine Farbstoffe heißen Maclurin und Morin. Die Befestigung derselben auf der Faser geschieht gleichfalls durch Metallbeizen, welche je nach Auswahl zu verschieden gefärbten Lacken führen. Namentlich zur Erzeugung von Mischtönen auf Wolle findet das Gelbholz neben anderen Farbstoffen häufige Verwendung. Statt des Holzes gebraucht man auch in diesem Falle häufig Extrakte.

Auf die gegenwärtig nur noch wenig im Gebrauch befindlichen Rothölzer, welche in früheren Zeiten vielfach zur Herstellung von roten Farbtönen auf Baumwolle, Wolle und Seide Verwendung fanden, sei an dieser Stelle nur kurz hingeweisen.

Krapp.

Einen der ältesten und wichtigsten Naturfarbstoffe lieferte die Krappflanze. Dieselbem unter dem botanischen Namen Rubia tinctorum bekannt und zur Familie der Rubiazeen gehörig, stammt aus Asien, ist aber schon seit undenklichen Zeiten in Europa heimisch geworden. Als färbereitechnisch wirksamer Teil kam nur die Wurzel in Betracht, welche getrocknet und gemahlen in den Handel gelangte. - In der frischen Wurzel ist ein Glykosid, die Ruberythrinsäure, enthalten, welche unter der Einwirkung des Krappfermentes in Ali-
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zarin und Traubenzucker zerfällt. Neben dem Alizarin findet sich in der gelagerten Krappwurzel als zweiter Farbstoff das Purpurin. Der erstgenannte Körper ist der wichtigere von beiden. Auch die Krappfarbstoffe sind Beizenfarbstoffe, welche durch ihre Verbindung mit Metallbeizen zur Bildung sehr verschieden gefärbter (z. B. roter, bordeauzroter, blauer usw.) Farblacke Veranlassung geben.

Infolge der künstlichen, in großem Maßtabe fabrikmäßig betriebenen Darstellung des Alizarins und seiner verschiedengestaltigen Abkömmlinge ist die Krappwurzel aus der Färberei fast vollständig verdrängt worden und kommt praktisch kaum noch in Betracht.

Zu den Naturfarbstoffen, welche in früheren Zeiten eine große Rolle spielten, jetzt aber aus den Färbereibetrieben fast verdrängt sind, gehört Quercitron, die von dem Außengewebe befreite und gemahlene Rinde einiger amerikanischer Eichen. Flavin ist ein daraus hergestelltes Präparat mit vermehrter Färbekraft. In gleichem Sinne sinz zu erwähnen die Farbstoffe des Wau oder Gelbkrautes (Reseda luteola), der Kreuzbeeren (Rhamnus carthatika), des Fisetholzes (Rhus cotinus) und der Curcumawurzel (Curcuma longa). Zur Erzeugung von roten Farben bediente man sich des Orseillefarbstoffes, durch eine art Gärung in tropischen Ländern vorkommender Flechten gewonnen.

Katechu.

Zu den wichtigsten pflanzlichen Farbstoffmaterialien, welche in Extraktform ihrer Verwendung zugeführt werden, gehören die aus dem Holz oder den Früchten von Acacia catechu und Areca catechu, Pflanzen des Orients, bereiteten Produkte, die unter dem namen Katechu und Gambir bekannt sind. Die beste Sorte ist das Bombay- Katechu, das sich in Gestalt dunkelbraunroter Klumpen im Handel befindet. Das Gambir-
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Katechu weist dagegen eine gelblich bräunliche Farbe auf. - Als Hauptbestandteile gelten das Katechin und die Katechugerbsäure, letztere ist vorwiegend im Bombay-Katechu erstreckt sich, abgesehen von der Baumwollfärberei, wo man mit Hilfe von Metallbeizen braune Farbtöne von hervorragender Exhtheit erzielt, vorwiegend auf die Seidenschwarzfärberei, bei welcher das Katechu Erschwerungsmittel Anwendung findet.

b) Dem tierreiche entnommene Farbstoffe.

Der einzige noch gebräuchliche Naturfarbstoff dieser Art ist der der Cochenille. Man versteht unter diesem Namen die getrockneten weiblichen Schildläuse (Coccus cacti), welche auf Kaktusarten in Mexiko heimisch sind. Der färbende Bestandteil ist die Karminsäure, welche in heißem Wasser und in Alkohol löslich ist und mit Schwermetallen zum Teil schön gefärbte Lacke bildet. Die Cochenilleabkochung sieht rot aus und wird durch Säuren gelb, durch Alkalien violett gefärbt. - man benutzt die Cochneille, soweit sie noch vereinzelt Anwendung findet, zum Herborbringen scharlachroter, purpur-, und bordeauzroter Töne auf Wolle.

c) Mineralfarbstoffe.

Zu erwähnen sind Chromgelb, Chromorange, Berlinerblau, Eisenchamois und Manganbister, welche auf der Faser erzeugt werden.

2. Die künstlichen oder Teerfarbstoffe.

a) Ausgangsmaterialien für die Gewinnung derselben.

Ds Ausgangsprodukt zur Erzeugung der künstlichen organischen Farbstoffe ist der Steinkohlen
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teer, in der regel ein Nebenprodukt bei der Leuchtgasfabrikation un der Koksbereitung. Daher faßt man die hier zu besprechenden Farbstoffe auch unter dem Namen Teerfarbstoffe zusammen.

Die Steinkohlen werden in den Gasfabriken in geschlossenen Retorten hohen Temperaturen ausgesetzt, wodurch sich eine vollständige Umwandlung des Kohlenmaterials vollsieht, bestehend in Spaltungen komplizierter Verbundungen in einfachere Körper und Wiedervereinigung der letzteren zu neuen, von den urspünglichen vollkommen verschiedenen Substanzen. Der Vorgang, welcher bei Abscluß von Luft unf Feuchtigkeit stattfindet, wird bezeichnet durch den Ausdruck trockene Destillation. Der Prozeß führt zur Bildung von gasförmigen, wässerigen und öligen Produkten. Die entrstandenen Gase finden gereinigt als Leuctgas verWendung. Das wässerige, Ammoniak enthaltende Destillat dient zur Gewinnung von Ammonsalzen und von Ammoniak. Die ölige, durch feinzerteilen Kohlenstoff schwarz aussehende und charakteristisch riechende Schicht, welche sich unter dem wässerigen Destillate, spezifisch schwerer als dieses, ansammelt, repräsentiert den Steinkohlenteer. Die kohlenstoffreichen Rückstände endlich, welche sich nach vollendeter Destillation in den Retorten befinden, führen den Namen Koks, sind hart und unschmelzbar, mehr oder weniger aschereich und dienen als vorzügliches Material für metallurgische Prozesse.

Die Bestandteile des Steinkohlenteeres - Gase, Flüssigkeiten, feste Körper - sind ihrer chemischen Natur nach sehr verschieden. Neben den besonders wichtigen nur Kohlenstoff und Wasserstoff enthaltenden Kohlenwasserstoffen, begegnen wir Körpern, welche außer den genannten Elementen noch Sauerstoff, anderen, welche gleichzeitig Stickstoff, auch solehen, welche Schwefel enthalten. Wir finden Körper von neutraler, sauer und basischer Reaktion.

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b) Zwischenprodukte bei der Gewinnung con Teerfarbstoffen.

Zue Verarbeitung des Teeres auf seine technisch wichtigen Einzelbestandteile unterliegt derselbe nochmals der Destillation in besonderen Destillationsretorten, den sogenannten Teerblasen. Das Destillat wird abhängig von dem spezifischen Gewichte und dem Sieepunkte des Übergehenden in vier Anteilen getrennt aufgefangen. Man unterscheidet das Leichtöl mit dem spezifischen Gewicht bis zu 0,9, Siedepunkt bis mit 150°C, das Mittelöl mit dem spezifischen Gewicht bis 1,01, Siedepunkt ca. 150° bis 200° C, das Schweröl mit dem spezifischen Gewicht bis zu 1,04, Siedepunkt bis 300°, und endlich das Anthrazenöl, welches von 300° bis 400° überdestilliert und das spezifische Gewicht 1,1 zeigt. Der Destillationsrückstand heißt Pech. Jede der auf diese Weise gewonnenen Fraktionen besteht wieder aus Gemischen und bedarf zwecks Trennung und Reinigung der Einzelbestandteile einer weiteren Bearbeitung und nochmaliger Destillation. Aus dem Leichtöle gewinnt man das Benzol, das Toluol und die Xylole. Aus dem Mittelöl erhält man das Naphthalin und die Karbolsäure. Das Schweröl enthält gleichfalls Naphthalin und die Kresole, das sind höher siedende Phenole. Das Anthrazenöl endlich liefert das Anthrazen.

Der bekannteste und wichtigste Kohlenwasserstoff des Steinkohlenteeres ist das Benzol C6H6, der Stammkohlenwasserstoff, von welchem sich eine ungeheure Fülle kohlenstoffhaltiger Verbindungen ableiten läßt, die in ihrer Gesamtheit als aromatische oder zyklische Verbindungen bezeichnet werden.

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Seit Kekulés bahnbrechenden Forschungen denkt man sich die Lagerung der kohlenstoffatome im Benzolmolekül derart, daß sechs Kohlenstoffatome ringförmig miteinander verbunden sind, wobei jedes Kohlenstoffatom mit zwei anderen wieder abwechselnd einfach oder doppelt gebunden zusammenhängt. Mit jedem Kohlenstoffatom steht ferner ein Wasserstoffatom in Verbindung. Man gibt dieser Lagerungsform, die von Kekulé in Gestalt eines Sechseckschemas zum Ausdruck gebracht wurde,

den Namen Benzolkern oder Benzolring.

Durch Vertretung der Wasserstoffatome des Benzols des Benzols durch Radikale oder Reste organischer Verbindungen entstehen die Abkömmlige oder Derivate, welche als Zwischenprodukte für die Gewinnung der Farbstoffe teilweise von größter Bedeutung sind. Grundlegende Operationen in diesem sSinne sind das Nitrieren und Sulfurieren. - Die Aufstellung der Benzoltheorie von Kekulé hat sich in weittragenster Bedeutung für die Darstellung von Benzolabkömmlingen bewährt und sie wirkte dadurch befruchtend und anregend auf die Entwicklung der Farbenindustrie.

Das Benzol dient zunächst zur Darstellung von Nitrobenzol, Dinitrobenzol. Aus dem Nitrobenzol gewinnt man mit Hilfe reduzierender Mittel das Anilin, die Muttersubstanz der Anilinfarbstoffe. Das Anilin selbst ist wieder das Ausgangsprodukt für die Erzeugung von Methylanilin, Dimethylanilin, von Äthylanilin und von anderen Homologen, welche für die Farbstoffindustrie von
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Bedeutung sind. Durch Einwirkung von Schwefelsäure auf Anilin entsteht die Sulfanilsäure.

Aus dem Kohlenwasserstoff Toluol C6H5CH3 stellt man als wichtige Zwischenprodukte das Nitrotoluol und das Toluidin, ferner das Benzylchlorid, das Benzalchlorid, das Benzotrichlorid und den Benzaldehyd dar. Aus den Xylolkohlenwasserstoffen entstehen die Xylidine. Wichtige Zwischenrpdukte sind ferner das Diphenylamin, Benzidin, Dianisidin, Tolidin.

Das Naphthalin C10H8 ist entwerder für sich Muttersubstanz für die Gewinnung der sogenannten Naphthalinfarbstoffe, oder es bildet die Grundsubstanz für weitere Zwischenprodukte der Farbenfabrikation. Zu Kärpern dieser Art gehören die Phthalsäure und das Phthalsäureanhydrid, welche für die Darstellung von künstlichem Indigo bedeutungsvoll geworden sind. Für die Industrie der Azofarbstoffe sind ferner die Amido- und Hydrozylsubstitutionsprodukte des Naphthalins, die Naphtylamine und die Naphthole von großer Wichtigkeit.

Das Anthrazen C14H10 ist das Ausgangsmaterial für die Herstellung von Anthrachinon, welches seinerseits wieder der Erzeugung von Alizarin und Indanthrenfarbstoffen dient.

c) Kurzer Überblick über die Geschichte der Entwicklung der Teerfarbenindustrie.

Die wissenschaftliche Untersuchung des Steinkohlenteeres beginnt mit den Arbeiten von Runge im Jahre 1834. Langa Jahre mußten jedoch noch vergehen, bis es den rastlos vorwärtsstrebenden Bemühungen der Wissenschaft gelang, die farbstoffbildenden Kräfte
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des Steinkohlenteeres zu erkennen und nutzbringend auszubeuten. Die ersten Farbstoffe wurden erhalten, als es gelungen war, das Anilin aus dem Benzol in rationeller Weise darzustellen. Als Abkömmlingen des Anilins legte man den neugewonnenen Farbstoffen den Namen Anilinfarbstoffe bei. Heuzutage ist diese Bezeicgnungsweise für die große Klasse der Teerfabstoffe nich mehr zutreffend, weil sich ein erheblicher Teil derselben auf das Anilin als Muttersubstanz nich zurückführen läßt.

Im Jahre 1856 wurde von Perkin aus dem Anilin das Mauvein erhalten und seit 1857 bei London im großen hergestellt. Die Fuchsingewinnung wurde zuerst in Frankreich 1859 in größerem Maßtabe betrieben und anschließend daran, besonders durch die Arbeiten von A. W. von Hofmann gefördert, begann die Fabrikation der übrigen Rosanilinfarbstoffe.

IM Jahre 1869 wurde durch Gräbe und Liebermann das in dem Krapp enthaltene Alizarin auf künstlichem Wege gewonnen. Dieser epochemachenden Entdeckung verdanken die Abkömmlinge des Alizarins, die Alizarinfarbstoffe ihr Dasein. Es folgten im Anfang der sibziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts sie Phtaleine von Baeyer, welchen sich im Jahre 1876 die vielgestaltigen Azifabstoffe anschlossen. Unter diesen ist besonders der in den achtziger Jahren des vorigen Jahrhunderts bekannt gewordenen Benzidinfarbstoffe zu gedenken, deren erster Vertreter das Kongorot ist. Von großer Wichtigkeit war ferner die Einführung der auf der Faser erzeugten Azofarbstoffe. Im Jahre 1898 gelang es der Badischen Anilin- und Sodafabrik die künstliche Herstellung des Indigo, dessen Synthese schon früher von Baeyer ausgeführt war, im groß Maßstabe durchzuführen und das Prpdukt zu einem mit dem natürlichen Indigo konkurrenzfähigen Handelsartikel zu gestalten. Der neueren Zeit war außerdem die Erzeugung einer neuen Klasse von Farbstoffen, der Schwefelfarbstoffe vorbehalten, deren Färbungen auf Baumwolle große Echtheitseigenschaften aufweisen. Diesen schlossen sich im verflossenen
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Jahrzehnt das laufenden Jahrhunderts die mit so großern Echtheitsfähigkeiten vegabten Küpenfarbstoffe der Anthrazenreihe, die Indanthrene, sowie die sogenannten indigoiden Farbstoffe and, welche dem Indigotin im Hinblick auf ihre chemische Zusammensetzung nahestehen oder Substitutionsprodukte desselben sind.

Dreiviertel aller künstlichen Farbstoffe, welche hergestellt werden, haben in Deutschland ihre Ursprungsstätte, wo sich mehr als zwanzig Teerfarbenfabriken in Betrieb befinden.

Zu das größten Etablissements dieser Art gehören: Die Badische Anilin- und Sodafabrik in Ludwigshafen a. Rh., die Farbwerke vormals Fr. Bayer & Co. in Elberfeld, die Farbwerke vormals Meister Lucius und Brüning in Höchst a. M., ferner Leopold Cassella & Co. in Frankfurt a. M., die Aktiengesellschaft für Anilingabrikation in Berlin, K. Öhler, Anilin und Anilinfarbenfabrik in Offenbach a.M., Chemische Fabriken von Weiler ter Meer in Ürdingen a. R. und andere.

Zwuschen Farbstoffabrikation und Färberei besteht heutzutage eine enge Fühlung, welche sich im Intressen der Schaffung den praktischen Anforderungen angepaßter Farbstoffe nutzbringend erwiesen hat.

d) Einteilung der Teerfarbstoffe nach chemischen Grundsätzen

Die Fülle und Vielgestaltigkeit der künstlichen Farbstoffe ist ze einer Großartigkeit und Ausdehnung emporgewaschen, welche es selbst dem Fachmanne erschwert, eine Übersicht zu gewinnen und fortlaufend bei Neuerungen festzuhalten. Nur dadurch ist dies zu erreichen, daß man, von bestimmten Grundsätzen ausgehend, eine Gruppeneinteilung aufstellt. Die gesichtspunkte, welche für diesen Zweck maßgebend sind, können verschiedene sein, je nachdem man den Zwecken des Chemikers
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oder des praktischen Färbers Rechnung trägt. Im ersten Falle ordnet man die Farbstoffe nach ihrer Abstammung von gewissen chemischen Grundsubstanzen oder nach ihrer Übereinstimmung in der chemischen Konstitution, im zweiten Falle dagegen bildet man Gruppen, welche der praktischen Anwendungsart in der Färberei angepaßt sind.

Chemisch betrachtet unterscheidet man als wichtigste Klassen:

1. Nitrofarbstoffe. Dieselben enthalten eine oder mehrere Nitrogruppen NO2 und leiten sich teils vom Benzol, teils von Naphthalin ab Außer Nitrogruppen sind im Moleküö noch noch Hydrozylgruppen vorhanden.
Hierher gehören: Pikrinsäure, Martiusgelb, Naphtholgelb.

2. Azofarbstoffe, welche die Gruppe -N = N - einmal oder mehrmals enthalten und dadurch Rese von Benzolabkömmlinhen verbinden. Z. B.: Chrysoidin, Orange I, Orange II, Metanilgelb, Ponceau, Bordeaux, Echtrot als Vertreter der Monoazofarbstoffe.

Zu den auf der Faser erzeugten unlöslichen Azofarbstoffen gehört fas Paranitranilinrot.

Zu den Disazofarbstoffen mit zwei Azogruppen gehören: Krozeinscharlach, Blrilliantkrozein, Biebricher Scharlack, Naphtholschwarz, Diamantschwarz, Bismarckbraun, Tuchrot, VIlktoriaschwarz u.a.

Zu dem von Benzidin und seinen Abkömmligen ableitbaren Azofarbstoffen mit zwei oder mehr Azogruppen gehören: Chrysamin, Benzoorange, Tuchbraun, Kongorot, Benzopurpurin, Diaminblau, Kolumbuaszhwarz, u.a.

3. Di- und Triphenylmethanfarbstoffe, welche sich von den Diphylethan

und von dem Triphenylmethan

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durch Ersatz von Wasserstoffatomen duech bestimmte Atomkomplexe ableiten lassen.


Zu den Diphenulmethanfarbstoffen oder Ketonimiden gehört das Auramin.

Vom diamidotriphenykmethan leiten sivh ab das Malachitgrün oder Bittermandelölgrün und das Brillatgrün.

Von Abkömmlingen des Triamodiriphenylmethans, den Rosanilinfarbstoffen, ist zunächst das Fuchsin zu nennen. Darunter versteht man den bekannten roten Farbstoff, der als Handelsprodukt gewöhnlich aus einem Gemenge von salzsaurem Rosanilin un Pararosanilin besteht.


Durch Behandlung von Fuchsin mit rauchende Schwefelsäure entsteht das Säurefuchsin oder Fuchsin S.

Zu den methylierten Abkömmligen des Triamidotriphenylmethans gehlren ferner die verschiedenen Marken von Methylviolett, zu den phenylierten Substitutionsprodukten Alkaliblau, Wasserblau und andere.

Schließlich seien das Aurin und Korallin als Ozytriphenylmethanverbindungen erwähnt.

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4. Die Xanthenfarbstoffe. Hierher gehören mehrere Farbstoffgruppen, welche sich auf das Xanthen

als Grundsubstanz zurückführen lassen. Zu erwählnen sind die Phthaleine und die Pyronine. Spezeielle Farbstoffe sind: Eosin, Phlozin, Rose bengale, auch Chinolingelb und die Rohodaminmarken.

5. Sie Anthrachinonfarbstoffe. Durch Oxydation des Antrazens erhält man das Anthrachinon, welches durch Aufname von zwei Hydroxylgruppen das Alizarin bildet. Hierher gehören also die Alizarinfarbstoffe. Zu nennen wären beispielsweise Alizarinrot, Alizarinorange, Alizarinblau, Anthrazenbraun, Alizarinbordeauz, Alizarincyanin usw.

Als Abkömmlinge des Anthrachinons kommen derner die Indanthrenfarbstoffe in Betracht, deren erster Vertreter, ein blauer Farbstoff, im Jahre 1901 von Bohn entdeckt wurde. Diese Farbstoff sind wie der Indigo Küpenfarbstoffe und zeichnen sich durch besonders große Echtheitseigenschaften aus. Zu erwähnen sind: Indanthrengelb, Indanthrenrot, Indanthrenblau, Indanthrenbraun. Auch die Algolfarbstoffe und die Cibanonfarbstoffe finden hier ihre Stelle.

6. Die Chinolin- un Akridinfarbstoffe. Im ersten Falle liegt das Chinolin C9H7N, im zweiten das Akridin C13H9N als Stammsubstanz zugrunde. Vertreter sind: Chinolingelb, Chinolinrot, Akridingelb, Akridinorange, Phosphin, Chrysanilin, Benzoflavin.

7. Indigo. Die erste Synthere, welche über die chemische Konstitution des Indigo Klarheit brachte, wurde von A. v. Beayer im Jahre 1880 ausgeführt. Trotz ihrer Tragweite war dieselbe nicht ausreichend, um die technischen Schwierigkeiten zur Herstellung des Indigo im großen zu beseitigen. Die Wefe für Spätere Erfolge waren jedoch angebahnt und heute sehen wird den künstlich erzeugten Farbstoff von verschiedenen Fabriken in den Handel gebracht.

Als Ausgangsmaterial für diesen Kunstindigo kann das Naphthalin herangezogen werden. Vom diesem gelangt
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man leicht zur Phthalsäure, von dieser zum Phthalimid und schließlich zur Anthranilsäure. Die letztere läßt sich mit Hilfe von Chloressigsäure in die Penylglyzinorthokarbonsäure überführen, welche schließlich durch Schmelzen mit Ätznatron und nachfolgende Oxydation Indigo liefert. Gegenwärtig verfügt die Technik über verschiedene Indigosynthesen. IN neuerer Zeit haben auch Halohensubstitutionsprodukte des Indigotins vielfach praktische Anwendung gefunden, z. B. Indigo MLB./R. u. MLB./2 R., welche als Gemenge von Mono und Dibromindigo helten u.a.

8. Indigoide Farbstoffe. Darunter versteht man Küpenfarbstoffe, welche sich in ihrer Zusammensetzung auf das Indigotin als Grunsubstanz zurückführen lassen. Man kann diese Indigofarbstoffe einteilen in solche, welche Stickstoff enthalten und solche, welche an Stelle von Stickstoff un Schwefel enthalten uns solche, welche Stickstoff und Schwafel enthalten. Zu den erstgenannten Körpern müssen die obenerwähnten halogensubstituierten Produkte gerechnet werden, zu der zweiten Klasse gehört der erste rote Indigofarbstoff Thioindigorot, zu der dritten Thioindigoscharlach. Wichtige Indigofarbstoffe sind ferner die Höchster Helindonfarben und die Cibafarbstoffe der chemischen Industrie in Basel.

9. Farbstoffe noch unbekannter Konstitution. Hierher zu rechnen sind: Anilinschwarz und die Schwefelfarbstoffe. Die letzteren verdanken ihre Entstehung dem Eintritt von Schwefel in einen organischen Rest von meist nichtbekannter Konstitution, lösen sich in Schwefelalkalien un färben in dieser Form ungeveizte Baumwolle. Besonders zahlreich sind die braunen, blauen und schwarzen Schwefelfarbstoffe. Im Handel finden sich Bezeuchnungen wie Immedialfarben, Katigenfargeb, Kryogonfarben, Thiogenfarben, Thioxinfarben und andere.

e) Beachtungen über die Natur der Teerfarbstoffe.

Die großen Erfolge, welche auf dem Gebiete der Darstellung künstlicher farbstoffe erzielt wurden, gründen sich zum großen Teil auf die Kenntnis der chemischen Struktur der Farbstoffe, der Gesetzmäßigkeiten, welche bei ihrer Bildung in Kraft sind,
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und auf die Kenntnis ihrer Beziehungen zu den Färbeeigenschaften. Die heutige Wissenschaft geht von der Annahme aus, daß die bildung eines Farbstoffes gebunden ist and die Gegenwart einer bestimmten farbtragenden Atomgruppe im Molekül, welche man als chromophore Gruppe bezeichnet. So seher wir z. B. in dem Azofarbstoffen die chromophore Gruppe - N = N -, ohne welche kein Azofarbstoff denkbar ist.

Verbindungen, die ein Chromophor enthalten, heißen Chromogene. Dieselben sind indessen noch keine Farbstoffe, weil sie entweder gar nicht oder in nur sehr untergeordnetem Maße die Fähigkeit besitzen, tierische oder pflanzliche Fasern anzufärben. Sobald sich jedoch die Chromogene mit salzbildenden Atomgruppen vereinigen, entsteht ein färbender Körper, d. h. ein Farbstoff. Die erwähnten salzbildenen Gruppen, die Amidgruppe NH2 und die Hydroxylgruppe OH heißen auxochrome Gruppen. So ist z. B. das Azobenzol C6H5 - N = N - C6H5 ein Chromogen. Es geht in dem Moment in einen Farbstoff über, in welchem eine Amidgruppe von dem Molekül aufgenommen wird.


Abhängig von dem Charakter der jeweilig vorhandenen salzbildenden Gruppen, teilt man die Farbstoffe ein in saure und basische Farbstoffe. Erstgenannten begegnen wir in der Praxis als Natron, Kali oder Ammonsalzen von Farbstoffen, welche, chemisch betrachtet, als Säuren (Farbsäuren) aufzufassen sind, während wir unter basischen Farbstoffen salzsaure, schwefelsaure und essigsaure Salze von solchen Farbstoffen zu verstehen haben, welche ihrem chemischen
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Charakten nach Basen (farbbasen) sind. So sehen wir z.B. in dem Fuchsin, dem salzsauren Salz der Base Rosanilin, einen basischen Farbstoff, während der Azofarbstoff Orange I, als Natronsalz der α-Naphtholazobenzolsulfonsäure zu den sauren Farbstoffen zu rechnen ist. - Im Indigo erblicken wir dagegen einen Farbstoff mit neutralen Charakter. - Saure und basische Farbstoffe stellen sich sehre verschieden dar in ihrem Verhalten zu den Gespinstfasern. - Die sauren Farbstoffe färben die tierischen Textilfasern, also Wolle und Seide, in der Regel ohne Mitwirkung von Beizen in einem sauren Färbebade. Zum Färben der Baumwolle sind sie weniger brauchbar.

Die basischen Farbstoffe färben Wolle und Seide direkt im neutralen oder schwachsauren Bade, ohne daß es nötig wäre, einen Zusatz zu machen. Für die Färberei der pflanzlichen Fasern, namentlich der Baumwolle, sind sie vorzugsweise geeignet nach vorausgegangener Beizung derselben mit Gerbsäuren und Metallsalzen. Ohne Beize findet jedoch eine Anfärbung nicht, wenigstens nicht dauerhaft, statt.

Nach ihrem Verhalten, die Gespinstfasern direkt, d. h. ohne Mithilfe von Beizen, oder nur unter Anwendung von solchen dauerhaft anzufärben, teilt man die Farbstoffe ebenfalls in zwei Gruppen, in die substantiven und in die adjektiven Farbstoffe. - Bei der Betrachtung des Verhaltens von Farbstoffen gegen Gespinstfasern ergibt sich daher, daß beispielweise ein basischer Farbstoff sich gegen Wolle und Seide substantiv, gegen Baumwolle dagegen adjektiv verhalten kann. Aber auch für Baumwolle gibt es substantive Farbstoffe, welche direkt von den Faser aufgenommen werden.

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f) Einteilung der Teerfarbstoffe nach ihrer Verwendung zu Färbereizwecken.

Vom praktischen Standpunkt des Färbers aus betrachtet, erweist sich die folgende, von Georgiewics aufgestellte Einteilung als zweckendienlich. Man unterscheidet:

1. Saure Farbstoffe. Hierher gehören der größte Teil der Azofarbstoffe und Abkömmlinge der Triphenylmethanfarbstoffe, welche durch Eintritt von Sulfonsäuregruppen in Säuren verwandelt wurden. Die Gruppe SO3H heißt Sulfonsäuregruppe und ist im Farbstoffmolekül durch Natrium abgesättigt.

2. Tanninfarbstoffe. Es sind dies die oben erwähnten basischen Farbstoffe, welche Baumwolle nur nach vorherigem Beizen mit Tannin dauerhaft anzufärben vermögen. Farbstoffe aus den verschiedensten Klassen lassen sich hier unterbringen. Zu den bekanntesten gehören: Fuchsin, Malachitgrün, Chrysoidin, Phosphin, Auramin, Safranin usw.

3. Substantive Baumwollfarbstoffe, sogenannte Salzfarben. Ihrer chemischen Natur nach sind dieselben größtenteils Natronsalze von Sulfonsäuren der Benzidinfarbstoffe.

Sie lassen sich unter Zusatz von Salzen, wie Kochsalz, Glaubersalz, Natriumphosphat zum Färbeade, aud Baumwolle ausfärben. Viele unter ihnen werden auch für die Färberei der Wolel und Seide berangezogen, gegen welche sie sich gleichfalls substantiv verhalten.

Zu nennen sind beispielsweise die Diaminfarbstoffe von Cassella in Frankfurt a. M., wie Diaminechtgelb, Diaminoragne, Diaminrot, Oxydiaminviolett, Diaminblau, ferner Kongorot, Kongorubin, Primulingelb, Azoviolett usw. Die Echtheit substantiver Färbungen läßt sich durch Nachbehandlung mit gewissen Metallsalzen, auch durch Diazoteiren und Entwickeln mit Phenolen opder Aminen, erhöhen.

4. Beizenfarbstoffe. Zu dieser Gruppe rechnet man adjektive Farbstoffe, welche nur allein unter Vermittlung von Beizen fixierbar sind und sauren Charakter besitzen. Vertreter sind das Alizarin und seine Abkömmlinge.

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5. Küpenfabrstoffe. Dieselben werden durch Reduktion in einer sogenannten Küpe in löslichen Zustand überführt und nach Durchtränkung der Faser mit der Lösung des reduzierten Farbstoffes durch nachfolgende Oxydation begestigt. Auf diese Weise wurde seit alters der Indigo gefärbt. Hierher gehören außer den indigoiden Farbstoffen, den Helindon- und Cibafarbstoffen, die Indanthren- und Algolfarbstoffe, sowie die Cibanonfarben.

6. Entwicklungsfarbstoffe oder Entwicklungsfarben. Mit dieser Bezeichnung faßt man Farbstoffe zusammen, welche in Wasser unlöslich und daher nach den sonst üblichen Färbemethoden nicht fiziebar sind. Man ist dadurch gezwungen die Bildung oder Entwicklung dieser Farbstoffe auf der Faser vor sich gehen zu lassen. Zu diesem Zwecke wird dieselbe mit einem der löslischen Komponenten vorbehandelt und durchtränkt, sodann in ein Bad gebracht, welches den zweiten Komponenten in Lösung enthält, der mit dem erstes nun unter Erzeugung des Farbstoffes in Verbindung tritt und diesen in dertigem Zustande in und auf der Faser ablagert. - Auf diese Methode der Farbstoffbedfestigung ist man beispielweise angewiesen bei der Färbung von Baumwolle mit unlöslichen Azofarbstoffen, welche aud den Namen Eisfarben führen, weil ihre Entwicklung auf der Faser nur in Bädern mit sehr niederer Temperatur, teilweise unter Eiskühlung erfolgen kann.

So entsteht das Paranitranilinrot auf der Fasern, indem man diese zunächst mit β-Naphthollösung vorbehandelt und alsdann in ein Bad bringt, welches bei Eiskühlung mit Natriumnitritsiazotiertes Paranitlanilin enthält.

Auch das später noch eingehender zu besprechende Anilinschwarz und das Diphenylschwarz können mit zu den Entwicklungsfarben gerechnet werden.

7. Schwefelfarbstoffe. Man färbt unter Zusatz von Schwefelnatrium, Soda und Kochsalz. Geeignet erweisen sich diese Farbstoffe für vegetabilische Fasern, auf welchen sie sich aus Bädern obiger Zusammensetzung befestigen lassen.

Zu den bekannteren Farbstoffen dieser Art gehören das Immedialschwarz, Immedialblau, Immedialbraun, Katigenschwarz, Thiogenbraun u.a.

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g) Das Diazotieren und seine Bedeutung für die Bildung von Azofarbstoffen.

Zur Bildung von Azofabrstoffen geht man aus von den aromatischen Aminbasen, welche neben Kohlenstoff und Wasserstoff die Gruppe NH2 mindestens einmal enthalten. Der einfachste Repräsentant dieser Art ist das Anilin C6H5NH2. Durch Behandlung der Amine in salzsaurer wässeriger Lösung mit Nitrit (salpetrigsauren Natrium), gehen dieselben unter der Einwirkung der dalpetrigen Säure bei niederen, höchstens einige Grade über Null liegenden Temperaturen in die sogenannten Diazoverbindungen über. Diese besitzen die Fähigkeit, sich mit einem Molekül einer aromatischen Base, mit Phenolen, oder den Sulfonsäuren dieser Verbindungen sofort zu einem Azofarbstoff zu vereinigen. Das Überführen eines Amins in eine Diazoverbindung heißt man Diazotieren.


h) Die Bezeichnung der Teerfarbstoffe zur Unterscheidung der Handelsmarken.

Die Farbstoffe weden von den einzelnen Farbenfabriken in einer für die Zwecke der Färberei gebrauche-
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fähigen Form, meist als Puver oder in Kristallen, auch im Teigform in den Handelsgebracht. Jede Fabrik setzt dem Namen ihrer Fabrikate ein Fabrikzeichen bei, welches aus einem oder zwei lateinischen Buchstaben besteht un eine Abkürzung der Firmenbezeichnung darstellt.

So bedeutet z. B. Bauwollgelb [B] oder B.A.S.F., daß der Farbstoff von der Badischen Anilin- und Sodafabrik fabriziert ist, Diamantgelb im Teig [By], daß dieser Farbstoff von den Farbenfanriken vormals Friedrich Bayer & Co. geliefert ist. Azoschwarz [M] oder M. I. B. ist auf die Farbwerke vormals Meister Lucius und Brüning zurückführen usw.

Außer diesen angaben, welche die Provenienz erkennen lassen, findet man hinter dem Namen des Farbstoffes häufig noch andere Zeichnen gleichfalls in Gestalt lateinischer Buchstaben, welche sich auf die Nuance oder auf spezielle Verwendungsweise beziehen.

So bezeichnet z. B. Echtgelb G[K], daß der farbstoff beim Ausfärben einen Stich ins Grüne bewirkt, und von Kalle / Co. fabriziert wird. Violette Farbstoffe können mehr nach Rot oder nach Blau zu niancieren. Im ersten Falle setzt man ein R, im zweiten ein B hinter den Namen. Nicht selten findet man Zeichen, wie 2 B, 3 B, 4 B oder 2 B, 3 R usw. wodurch ein sehr bedeutendes Hervortreten von blau oder rot in ansteigendem Maße angedeutet werden soll. Alizarin W. S. weist auf einen für Wolle und Seide gebräuchlichen Farbstoff, H. W. bedeutet in demselben Sinne die Benutzungsfähigkeit für Halbwolle usw.

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