5.2.11

Köhler's Medizinal-Pflanzen: Juglans regia L.




Köhler's Medizinal-Pflanzen
in
naturgetrenen Abbildungen mit kurz erläuterndem Texte.

ATLAS
sur
Pharmacopoea germanica, austriaca, belgica, danica, helvetica, hungarica, rossica, suecica, Neerlandica, British pharmacopoeia, zum Codex medicamentarius, sowie zue Pharmacopoeia of the United States of America.

Herausgegeban von G. Pabst.

Band I.
Mit 88 Tafeln in Farbendruck nach Originalseichungen von Walther Müller in Gera.

Gera-Untermhaus.
Verlag von Fr. Eugen Köhler.
1887.




Wallnuss oder Walnuss, Wälsche Nuss • Walnut • Noyer commun.

Familie: Juglandaceae; Gattung: Juglans.

Beschreibung. Ein bis 20 Meter hoher Baum mit kurzem Stamm und schöner, ausgebreiteter Krone. Die dicke Rinde aschgrau, anfangs glatt, später rissig, balsamisch harzig, an den jüngeren Zweigen weiss punktirt. Mark der Zweige gefächert. Blätter zerstreut, gestielt, unpaarig gefiedert, 15•45 Ctm. lang; die Fiederblättchen zu 5•9 (meist 7), oft wechselnd, fast sitzend, das Endblättchen lang gestielt, eiförmig oder länglich eiförmig bis länglich, meist ganzrandig, spitz oder zugespitzt, häutig bis fast lederig, in den Nervenwinkeln der Unterseite gebartet, sonst kahl, nach der Blüthe bis 16 Ctm. lang, bis 8 Ctm. breit, durchscheinend netzaderig, dunkelgrün, unten blasser. Blattspindel rinnig, jung drüsig behaart, später kahl. Blüthen einhäusig. Männliche Kätzchen einzeln oder zu mehreren seitlich aus den zur Blüthezeit entlaubten Blattachseln der vorjährigen Zweige zugleich mit dem Laube hervorbrechend, cylindrisch, steif, herabhängend, vielblüthig, 6-10 Ctm. lang, dunkelgrün, später schwarz, bald abfallend; Brakteen horizontal abstehend, einblüthig, mit Ausnahme der umgebogenen rhombischen Spitze der Länge nach mit dem Perigon verwachsen. Letzteres elliptisch gewölbt, später flach, bis fast zur Basis 5-7 spaltig. Staubgefässe zahlreich, 12-36, 2- bis mehrreihig dem Grunde des Perigons angewachsen, mit sehr kurzen, freien Filamenten und länglichen, 2 fächerigen Beuteln, welche von dem zu einer Spitze ausgezogenen Connectiv überragt werden. Fächer rand-längsspaltig sich öffnend. Pollen stumpf 3-6 seitig, 3-6 porig, unter Wasser kugelig. Weibliche Blüthen einzeln oder zu 3•5 an der Spitze der jungen Zweige, drüsig behaart, grün, sitzend, von einer lanzettförmigen Braktee unterstützt, welche mit der Blüthe verwachsen ist (Deckblatt bis über die Mitte, Vorblätter dem Fruchtknoten ganz angewachsen). Der drüsig behaarte, unterständige Fruchtknoten oval, vom fleischigen Unterkelch gebildet; aus dem Rande des letzteren der 4 zähnige Kelch und die tief 4 lappige Krone entspringend. Griffel 2, sehr kurz, Narben 2, gross, fleischig, zurückgekrümmt, zerfetzt kraus, abfallend. Fruchtknoten mit einem aus dem Grunde sich entwickelnden, säulenartigen. Samenträger, der nach 2 Seiten hin sich flügelartig ausbreitet und mit der inneren Wand verwachsen ist, erst einfächerig, mit einer im Grunde aufrechten Samenknospe, später durch Scheidewände, welche sich im unteren Theile entwickeln, unvollständig 2fächerig. Steinfrucht kugelig bis eiförmig-kugelig, mit glattem, grünem, hell punktirtem, fleischigem, später lederartigem, sich von der Nuss ablösendem, und unregelmässig zerreissendem, schwarz werdendem Epicarp. Die Steinnuss ist meist eiförmig, knöchern, auf dem Scheitel kurz gespitzt, am Grunde gestutzt oder etwas eingedrückt, auf der Oberfläche unregelmässig netzig gerunzelt, innen am Grunde unvollständig 4 fächerig, oben unvollständig 2 fächerig. Der ölreiche Same ist unten dem 2 flügeligen, scheidewandartigen Samenträger aufgewachsen, unregelmässig buchtig gefurcht, unten 4lappig, ohne Eiweiss, mit doppelter Samenhaut; die äussere Samenhaut bräunlich und herbe, die innere weiss und geschmacklos. Der grosse Embryo von der Form des Samens, mit fleischigen Cotyledonen und nach oben gekehrtem Würzelchen.

Die in Nordamerika Offizinelle Jugions cinerea L. besitzt beiderseits grauhaarige, 8-10paarige, länglich-lanzettförmige, gezähnte Piederblättchen mit klebrig behaarten Blattstielen, eiförmig-längliche, zugespitzte Früchte und sehr rauhe, schwärzliche, unvollständig 2fächerige Nüsse. Von dieser in Nordamerika einheimischen Art ist die innere Wurzelrinde Offizinell.

Anatomisches. Der Querschnitt durch das Blatt zeigt auf der Oberseite eine Palissadenschicht, die mit ansehnlichen Oxalatdrusen ausgestattet ist; auf der Unterseite Schwammparenchym. Die aus dickwandigen Zellen bestehende Epidermis ist beiderseits spärlich mit Drüsenhaaren besetzt, welche auf der Unterseite auch von drüsenlosen Haaren begleitet werden. Oelräume fehlen.

Vorkommen. Der Nussbaum ist in dem Gebiete von den Kaukasischen Ländern bis Nordindien einheimisch und hat sich von dort über ganz Europa verbreitet. Er wird namentlich in Baden, der Schweiz, Oberitalien seiner Früchte wegen häufig kultivirt. In der Südschweiz wird er noch in Meereshöhen bis zu 1000 Meter angetroffen und sogar in Südskandinavien reifen seine Früchte noch in besonders warmen Lagen.

Blüthezeit. Mai.

Name und Geschichtliches. Wallnuss, Walnuss oder wälsche Nuss (mittelhochd. Nossbaum, Nessbaum, Nussbaum, walisch Nuss, walsch oder wélsch Nussbaum; mittelniederd. Notbom, Notte, Nutbom; bei Hildegard Nuzbotim, bei Bock Saumnuss) von wal, wälsch oder welsch, fremd, ausländisch. Juglans von Jovis glans, Jupiters Eichel; regia von regius, königlich.

Der Nussbaum war bei den Griechen ein dem Zeus geheiligter Baum; aus diesem Grunde streute man bei Hochzeiten Nüsse unter die Gäste, damit Zeus dem jungen Ehepaare Fruchtbarkeit verleihe. Dioskorides, Plinius, Varro, Columella, Palladius beschrieben den Nussbaum und bezeichneten als seine ursprüngliche Heimath Vorderasien. Nicht blos der Frucht und den Blättern, ja sogar dem Schatten des Baumes schrieb man kopfeinnehmende Eigenschaften zu. Die arabischen Aerzte benutzten sowohl die Schalen der unreifen Früchte, als auch die Blätter medizinisch und Karl der Grosse empfahl in seinem Capitulare vom Jahre 812 •Nucarii", nach Flückigers Ansicht ohne Zweifel Nussbäume, zum Anbau.

Offizinell sind die Blätter: Folia Juglandis und die Rinde der grünen Fruchtschale: Cortex Fructurs Juglandis (Cortex Nucum Juglandis viridis, Putamina Nucum Juglandis.)

Die Wallnussblätter werden im Monat Juni im noch nicht völlig ausgewachsenen Zustande gesammelt, schnell an einem sonnigen Orte in dünner Lage getrocknet und zwar so, dass die grüne Farbe möglichst erhalten wird; bei weniger sorgsamem Trocknen werden die Blätter schwarz. Sie schmecken in frischem Zustande widerlich scharf, bitter und herbe und besitzen einen balsamischen Geruch; getrocknet ist der Geruch und Geschmack etwas schwächer. Der wässerige Auszug besitzt anfänglich einen süssen Geschmack.

Die in frischem Zustande fleischige, aussen grünliche, innen weissliche, etwas schwammige Fruchtschale wird gesammelt, wenn die Früchte noch nicht ganz reif sind, also ungefähr Ende August. Bei der Reife werden die Schalen schwarz, schmecken sehr herbe und scharf und färben die Haut schwarzbraun. Auch die unreifen Früchte werden zu einer Zeit gesammelt, wo die Kernhülle noch nicht holzig, also leicht mit einer Nadel durchstochen werden kann (etwa im Monat Juli) und entweder zur Herstellung eines Extraktes oder zum Einmachen in Zucker verwendet. Durch das Trocknen verlieren sowohl die Schalen als die unreifen Früchte ihre Schärfe und schmecken mehr bitter.

Bestandtheile. Die Blätter enthalten Gerbstoff (Nucitannin), einen nicht gährungsfähigen Zucker (Nucit) und einen krystallinischen Bitterstoff (Juglandin). Die grünen Wallnussschalen enthalten Stärkemehl, Eiweiss, Zucker, Apfelsänre, Phosphorsäure, Kali, Kalkerde, fettes Oel, einen Farbstoff (Nucin) und den schon bei den. Blättern erwähnten Gerbstoff (Nucitannin). Braconnot fand in den Schalen Stärkemehl, eine herbe und bittere, sehr veränderliche Substanz, Chlorophyll, Apfelsäure, Gerbstoff, Citronensäure, phosphorsauren und Oxalsäuren Kalk und andere Salze. Nack Wackenroder rührt die Schärfe der unreifen Früchte von einem gelblichen, scharfen, widerlich schmeckenden Oele her, welches beim Aufkochen des ausgepressten Saftes in dem geronnenen Eiweiss zurückbleibt. Die Blätter liefern eine sehr geringe Menge eines ätherischen Oeles, welches noch nicht näher untersucht ist - Das fette Oel der Kerne ist im frischen Zustande grünlich, später hellgelb, ohne Geruch, von angenehmem, mildem Geschmack, bei -18° erstarrend, mit einem spezifischen Gewicht von 0.928. Nach Mulder enthält es Leinölsäure, Myristin- und Laurinsäure.

Tanret hat im Jahre 1876 aus den Wallnussblättern das krystallinische Alkaloid Juglandin dargestellt, welches leicht löslich in Wasser, Alkohol, Aether und Chloroform ist, jedoch an der Luft sehr bald zersetzt und schwarz wird.

Juglon (Nucin), der 1856 von Vogel jun. und Reischauer in den grünen Schalen der Wallnüsse entdeckte Farbstoff, bildet rothgelbe, glänzende, spröde, bis 1 Ctm. lange Nadeln oder kleine quadratische Säulen, die unzersetzt bei 90° sublimiren, in Wasser unlöslich, schwierig in Weingeist, leicht löslich in Aether, Chloroform, Benzol und Schwefelkohlenstoff sind. Wässeriges Ammoniak, wässerige kaustische, phosphorsaure und borsaure Alkalien und Bleiessig lösen Juglon mit purpurrother Farbe, aus welchen Lösungen es durch Säuren in Flocken wieder gefällt wird. Die Analyse ergab C10H5(OH)O2.

Das 1871 von Philipson entdeckte Regianin, welches sich in kurzer Zeit in eine amorphe, schwarze Masse, die Begianinsäure (C6H6O7) umwandelt, die mit Alkalien lösliche, purpurfarbige Salze bildet, ist nichts weiter als Juglon.

Der in den Fruchtschalen und wahrscheinlich auch in den Blättern enthaltene Gerbstoff, Nucitannin, wird durch Mineralsäuren in Zucker, Essigsäure und Rothsäure (C14H6O7) zerlegt; letztere bildet mit Alkalien dunkelrothe Salze.

Tanret und Villiers erhielten 1878 aus den Blättern einen mit Nucit bezeichneten Zucker in klinorhombischen Prismen, der bei 208° schmilzt, nicht gährungsfähig ist und die Zusammensetzung C6H12O6 + 2H2O besitzt. Er reduzirt alkalische Kupferlösung nicht und giebt bei der Oxydation mit Salpetersäure weder Oxalsäure noch Schleimsäure, sondern einen Körper, der noch nicht näher untersucht ist. Dieser Zucker wurde von den Entdeckern später als Inosit erkannt. (Husemann, Pflanzenstoffe 473.)

Anwendung. Die Blätter finden Anwendung äusserlich gegen Gicht, hauptsächlich aber innerlich und äusserlich bei Scrophulose und Rhachitis, wobei wohl der Gerbstoff als der wirksame Bestandtheil angenommen werden muss. Die frischen unreifen Früchte dienen zur Herstellung eines wässerigen Extraktes. Wie früher die Wallnussschalen einen Bestandtheil des Pollinischen Decoctes bildeten, giebt man in Italien auch jetzt noch hier und da die Blätter in Abkochung bei Syphilis, Hautkrankheiten und Gicht. Frische zerstossene Wallnussblätter werden von Néla ton als Verbandmittel bei Pustula maligna empfohlen. Das kaum noch Offizineile Extractum Foliorum Juglandis wurde früher zu 0.3-1.0 in Pillen oder Lösungen als Antidyscraticum benutzt, auch in adstringirenden Gurgelwässern, Collyrien und Verbandwässern gegeben. Pomayrol und Raphael empfehlen die frischen Blätter und Nussschalen zu Umschlägen auf carbunculÖse Geschwüre; Luton erkennt in dem Blätterextrakte ein vorzügliches Mittel bei beginnender tuberculöser Meningitis. - Die Kerne der reifen Früchte dienen als Wurmmittel, das Pulver des bitteren Samenoberhäutchens gab man früher gegen Kolik, das aus den reifen Kernen gepresste Oel wird in der Küche als Speiseöl (Salatöl) und wegen seiner trocknenden Eigenschaften in der Oelmalerei verwendet. Der Saft der grünen Schale gilt in der Volksmedizin als magenstärkend, wurmtreibend, blutreinigend und wird zum Vertreiben der Warzen, des Grindes und der Räude verwendet.

Die Blätter von Jugl. cinerea sollen gepulvert die Canthariden ersetzen; die Wurzelrinde soll sehr scharf und blasenziehend sein, innerlich genommen gleich dem Rhabarber purgirend wirken und namentlich bei Ruhr Anwendung finden. (Husemann, Arzneimittell. 835.)

Litteratur. Abbildung und Beschreibung: Nees v. Esenb. Plant, med., Taf. 96; Hayne, Arzneigew. XIII, Taf. 17; Berg und Schmidt, Offiz. Gew., Taf. VHP; Bentley and Trimen, Med. pl., Taf. 247 {cinerea); Luerssen, Handb. der syst. Bot. II. 504; Karsten, Deutsche Flora 793; Wittstein, Pharm. 885.

Drogen und Präparate. Folia Juglandis: Ph. germ. 114; Ph. ross. 173; Ph. belg. 47; Ph. Neerl. 139; Cod. med. 65; Flückiger, harm. 652; Berg, Waarenk. 296.
Cortex Fructus Juglandis: Ph. ross. 91; Cod. med. 65; Ph. belg. 47; Ph. Neerl. 139; Ph. U. St. 188 (cinerea); Berg, Waarenk. 412.
Extractum Foliorum Juglandis: Ph. belg. 167; Ph. Neerl. 107;
Extractum Juglandis Fructuum immaturorum: Ph. Neerl. 108; Ph. U. St. 128 (cinerea).
Oleum Juglandis regiae: Ph. belg. 47, 201; Cod. med. 439.
Bezüglich der Drogen und Präparate siehe auch Hager, Pharm. Prax. II, 224; III, 589.

Tafelbeschreibung:
A Zweig mit männlichen und weiblichen Blüthen, natürl. Grösse; B Zweig mit weiblichen Blüthen, desgl.; C Früchte, desgl.; 1 Theil des männlichen Kätzchens mit 4 Blüthen, vergrössert; 2 männliche Blüthe von oben gesehen, desgl.; 3 Staubgefässe, desgl.; 4 Pollen, desgl.; 5 weibliche Blüthe, desgl.; 6 dieselbe längs durchschnitten, desgl.; 7 Steinfrucht mit halbirter äusserer Hülle, natürl. Grösse; 8, 9 Steinfrucht im Längs- und Querschnitt, desgl.; 10 Same, desgl.

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