Nutzen der Insekten.
Von dem Königl. Gerichtsamtmann Keferstein in Erfurt.
Erfurt, in der Maring'schen Buchhandlung.
1827.
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*) Lach. lapp. I. pag. 258. Bei Kirby und Spence Einleit. Th. I. S. 558.
*2) Trans. of the Society of arts. В. ХХIII. p. 411. Bei Kirby Th. I. S. 558.
*3) 1. c.
*4) Réaumur, III, 95. Bei Kirby Th. I. S. 558 und 559.
*5) Fauna Suecica, editio altera, Nr. 1521. Cynips quercus folii.So wichtig aber auch die Insekten durch die Produktion der Seide für den menschlichen Haushalt sind, so wird dies doch wohl durch" die Färbematerialien, die sie uns liefern, noch übertroifen. Es sind aber besonderzs schwarze und rothe Farben, die wir von ihnen entnehmen. Schwarz be reitet man hauptsächlich aus Galläpfeln, die auch das Hauptingredienz un serer Dinte ausmachen, und Roth ziehen wir aus mehreren Coccus-Arten, wohin zumal der Gummi-Lak, Kermes, das Johannisblut und die Cochenille gehören. Doch gewiss auch noch andere Farben könnte man von den Insekten gewinnen. So habe ich die Exkremente der Wolfsmilchraupe, Sphinx euphorbiae, mit einem Aufgusse von Weingeist längere Zeit stehen lassen, und obgleich sie nicht völlig aufgelöst wurden, so lieferte doch dieser Aufguß eine sehr schöne grüne Farbe. Lïnnée erzählt in seiner lappländischen Reise, dass die Galläpfel von Aphis pini an den Spitzen der Fichtennadeln zur Zeit der Reifheit bersten und ein pomeranzengelbes Pulver ausstreuen, was Flecken auf den Kleidern hinterlässt und wohl als Färbesteff gebraucht werden könnte*. Eben so trägt in Indien Terminalia citrina, ein daselbst gemeiner Baum, eine Art von Galläpfeln, das Produkt eines Insektes, welche auf allen Märkten als eins der anwendbarsten Färbemittel verkauft werden und womit die Eingebornen ihr bestes und dauerhaftestes Gelb färben*2. Gleichfalls wird in Guinea und Surinam eine daselbst einheimische Milbenart, Trombidium tinctorium (Acarus Linn.), als Farbe gebraucht; Kirby bemerkt hierbei, ob unser Trombidium holosericeum, ausgezeichnet durch den blendenden Schimmer seines Scharlachs und das schöne Sammtgewebe seines Pelzes, nicht auch eine brauchbare Farbe liefern könne?*3. Ja Réaumur hat angegeben, wie sich aus dem Kothe der gemeinen Kleidermotte schöne Wasser farben gewinnen liessen. Um feines Roth, Gelb, Blau, Grün oder irgend eine andere Farbe oder Farbenschattirung zu erhalten, hat man nichts weiter zu thun, als die Larven mit Tüchern dieser Farbe zu füttern, und indem die Exkremente die Farbe in Schönheit unverändert behalten, lassen sie sich zugleich sehr leicht mit Wasser mischen*4. Doch kehren wir zu den Galläpfeln zurück, die theils als Färbematerial, theils, besonders wegen ihrer adstringirenden Kraft, bei der Gerberei und auch als Arzneimittel gebraucht werden. Vorzüglich ist es unter den Insekten die Gattung Cynips Linn., wo von das Weibchen die Eier in besondere Theile gewisser Pflanzen legt, die da durch anschwellen und zum Theil sonderbare Auswüchse bilden. Diese dienen der Larve so lange zum Aufenthalt, bis sie ihre Verwandlung überstanden hat und nun ale vollkommenes Insekt hervorbricht. Im Allgemeinen kann man diese Auswüchse mit dem Namen Gallen belegen, und hier liefert die Eiche, die bei uns wenigstens wohl die meisten Insekten beherbergt, auch die meisten und verschiedenartigsten solcher Gallen, gewöhnlich Galläpfel genannt. Man findet aber dergleichen Galläpfel theils an dem Stamme, theils an den Eichenblattstielen und Grösseren Ribben, theils an dem Reiche oder der Eichel selbst, theils an den Blättern, und in jedem haust eine besondere Cynipsart, und jeder von diesen verschiedenen Galläpfeln hat seine eigenthümliche Grundform. In unsern Eichenwäldern finden wir die meisten und grössten Galläpfel in kugelicher Gestalt auf den Blättern als ein Produkt des Cynfps quercus folü L., und obgleich solche gegenwärtig gar nicht benutzt werden, sondern wir uns lediglich der ungarischen oder levantischen Galläpfel bedienen, so versichert doch Linnée in seiner Fauna Suecica, dass aus diesen Galläpfeln die Dinte bereitet würde*5. Zwar hat Linnée die Cynipsart, welche die levantischen Galläpfel hervorbringt, nicht gekannt, und es wäre möglich, dass er die levantischen mit den einheimischen Galläpfeln für identisch gehalten und geglaubt hätte, dass beide das Produkt eines und desselben Insektes seven, doch bleibt es immer auffallend, dass er dabei nicht bemerkt haben sollte, wie lediglich die levantischen zur Dintebereitung benutzt würden. Es ist mir daher wahrscheinlicher, dass zu Linnées Zeiten die einheimischen Galläpfel zu dem angegebenen Zwecke benutzt wurden, vielleicht auch noch gegenwärtig in Schweden benutzt werden, und ich hege die Ueberzeugung, dass sie gewiss auch bei uns eben so gut Behuss der Dintebereitung benutzt werden könnten, nur dass man vielleicht eine Grössere Masse davon gebraucht.
Heut zu Tage gebraucht man besonders zweierlei Arten von Galläpfeln als Färbematerial und in der Gerberei; die einen werden vorzugsweise Galläpfel, die andern Knoppern genannt Jene haben eine mehr runde, diese eine mehr eckige Gestalt. Die vorzugsweise so genannten Galläpfel, kommen auf einer, in ganz Kleinasien, vom Bosphorus bis Syrien, von den Küsten des Archipelagus bis zu den Grenzen von Persien verbreiteten Eichenart, der Quercus infecto ria des Olivier, vor. Doch sollen nach Sestini's Versicherung die Galläpfel aus Kurdistan von Quercus phellos herkommen, obgleich dieser nach Persoon ein Bewohner Nordamerika ist, und zwar soll nicht dег männliche, sondern nur der weibliche Baum, und zwar lediglich dann viel Galläpfel hervorbringen, wenn er wenig Früchte hat. (Viaggio da Constantinopoli a Bassora, fatto d'all abate Domenico Sestini. 1786. 4. — Viaggio di ritorno da Bassora a Constantinopoli fatto d'all abate D. Sestini. 1788. 4. Im erstem Werk S. 161.). Der Stamm der gedachten Quercus infectoria ist krumm; sie erreicht selten die Höhe von 6 Fuss und zeigt sich häufiger unter der Gestalt eines Busches als eines Baumes. Die Galläpfel sind holzig, hart und schwer; gewöhnlich sind sie rund und voll Unebenheiten, die zum Theil spitz zulaufen. Sie finden sich aber auf den Stielen der kleinsten Zweige und erreichen 4 bis 12 Linien im Durchmesser. Das Insekt, welches sie hervorbringt, ist von Olivier zuerst unter dem Namen Diplolepis gallae tinctoriae beschrieben, hat einen gelben Leib, dunkele Fühler und einen glänzend braunen Rücken. Gewöhnlich werden die Galläpfel im Juli, wo sie am grossten und schwersten sind, und ehe noch das Insekt ausgekrochen ist, gesammelt. Sie sind dunkel von Farbe und heissen im Orient Jerli, im Handel aber grüne, schwarze auch blaue Eichäpfel. Die bei der Lese übersehenen Galläpfel werden später, wenn das Insekt schon ausgekrochen ist, gesammelt, sind leichter, von heiterer Farbe, heissen daher auch weisse und sind von weit schlechterer Beschaffenheit. Obgleich man auf derselben Eiche noch verschiedene andere Gallen findet, so werden doch nur die berührten gesam melt. *) Olivier, Reise. Th. I. S. 348 bis 350.
*2) Einleit. Th. I. S. 549.
*3) Olivier, Reise. Th. II S. 759.
*4) Loewe, physikalische Zeitung auf das Jahr 1784. 4. S. 55.Die Galläpfel aus der Gegend von Mossul und Tocat, und überhaupt aus der östlichen Gegend der Türkei sind weniger geschätzt, als die von Aleppo, Smyrna, Magnesia, Karahissar, Diarbekir und dem Innern von Anatolien; daher kostet auch der Centner von jenen in der Regel 2 bis 3 Piaster weniger*. Sonderbar ist es, dass nach Kirby's Versicherung die Galläpfel auch aus Ostindien* bezogen würden*2, wogegen Olivier erzählt, dab Galläpfel ein wichtiger Gegenstand des Handels von Kleinasien nach Indien wären; indem sehr viel dahin geschickt würden*3, und ich glaube, dass der letzteren Nachricht mehr als der ersteren zu trauen ist. Heut zu Tage werden in den deutschen Fabriken bei der Theuerung der levantischen Galläpfel, dergleichen vorzüglich aus Ungarn bezogen, die sich hauptsächlich durch eine weissere Farbe unterscheiden. Obgleich eie nicht ganz so viel Färbestoff als die levantischen enthalten, so können sie doch eben so gut wie diese gebraucht werden und sind bedeutend wohlfeiler. Leider kennt man aber weder die Eiche, welche sie liefert, noch das Insekt, dem- sie ihren Ursprung verdanken, da sie von Naturforschern noch nicht beobachtet sind; vielleicht sind sie das Produkt der gemeinen Eichen, wo nur der Färbestoff durch dawärmere Klima mehr concentrirt worden ist. Ich schliesse dieses aus einem in der Loewe'schen physikalischen Zeitung enthaltenen Berichte, worin es heisst, dass, obgleich es in Kroatien, Lyka und Bosnien viele Zwergeichen gebe, doch keine Knoppern, desto mehr Galläpfel aber sich- auf denselben fänden. Diese Galläpfel lieferten jedoch keine so gute Dinte, als die von den gemeinen Eichen*4. Wenn daher in den angegebenen Ländern die gemeine Eiche zur Dintebereitsng brauchbare Galläpfel liefert, so dürften die jetzt im Handel vorkommenden, von dort sich herschreibenden, wahrscheinlich dergleichen seyn.
*) Olivier, Reisen. Th. I. S. 551.
*2) Schriften der berlinischen naturforschenden Gesellschaft. IV, 1. Doch habe ich leider den Aufsatz nicht selbst gelesen, sondern kenne ihn blos aus Recensiones.
*3) Loewe, physikalische Zeitung auf das Jahr 1784. S. 35.
*4) S. Loewe 1. с.Doch gehen wir zu den, den Galläpfeln ähnlichen, Knoppern über. Man findet sie auf der Quercus aegylops, die von den Griechen Vilani genannt wird, und auf der Westküste von Anatolien, auf den Inseln des Archipelagus, Gorfu, Cephalonien und ganz Griechenland vorkommt. Sie ist kaum so gross wie unsere Zirneiche, und die grossen Kelche werden eben so wie die Galläpfel zum Färben benutzt*. Nach des Hrn. v. Burgsdorf Beobachtung ist es Cynips quercus calycis, der braun und oben mit blasseren Längsstreifen versehen ist, welcher sein Ei in den Kelch legt und dadurch die Galle hervor bringt*2; wogegen ein Ungenannter in der physikalischen Zeitung versichert, dass keineswegs der Kelch, sondern die milchige oder weiche Frucht gestochen würde. Nachdem dieses geschehen sey, ergösse sich der Saft, oder dehne sich vielmehr über den ganzen Kelch in stumpf - stacheliger Figur aus und, wenn die Frucht gleich gross wäre, auch über diese, so dais sie halb oder ganz, ja oftmals auch der Kelch davon eingeschlossen würde, wodurch denn dieser verdürbe und klein erhalten würde, doch ohne Verletzung*3. Wir beziehen die Knoppern nicht sowohl aus Kleinasien, als aus Ungarn, der Moldau, Wallachei und* den benachbarten Gegenden. Das Jahr 1783 lieferte eine so ausgezeichnet reiche Erndte, dass die Metze, die sonst 2 bis 5 Gulden kam, nur 4 bis 6 Groschen kostete. In Ungarn und den angeführten Ländern scheint es auch nicht Quercus aegylops, sondern die gemeine oder Som mereiche zu seyn, welche die Knoppern liefert*4 und nach des voraufge führten Hrn. v. Burgsdorf Versicherung kommt die Knopper und namentlich auch das sie hervorbringende Insekt in Deutschland, wenn gleich selten, vor, und wenn dieses mit den in Ungarn sich findenden identisch seyn dürfte, so ist es doch noch immer einer Frage unterworfen, ob die levantischen Knop pern auch demselben Insekt ihren Ursprung verdanken, da man hierüber noch keine bestimmten Beobachtungen hat. Gleichfalls werden in Frankreich die Galläpfel oder Knoppern, welche Gascogne und die Provence liefern, benutzt, doch stehen sie den levantischen bei weitem nach (s. Savary diction. de commerce article, galle) und ich habe keine näheren Notizen weder über die Eiche noch das Insekt, welches sie hervorbringt, auffinden können.
*) Theophrast hist. plant. 5, 6. und 5, 8. Cael. Rhodig. lib. 24. cap. 5. S. 919. (der die in den Eichen entstehenden Thierchen galbae nennt). Dioscorides lib. 1. pap. 125.
*2) De insectis. Amstelodami 1671. 8. S. 255. sqq.
*3) Descriptiones animalium. pag. 22.Was aber die Galläpfel in weiterer Bedeutung betrifft, so kannten sie zwar die Alten schon sehr wohl, so wie ihr Gebrauch besonders in der Medicin bekannt war, doch wurden sie für Pflanzenauswüchse gehalten, in welchen sich nur bisweilen zufällig Fliegen fänden*. Erst in den neuern Zei ten, und hauptsächlich durch Redi*2, ist die wahre Entstehung der Gallen bekannt geworden.
Forskâl führt in seinen naturhistorischen Beobachtungen Egyptens drei Arten von Galläpfeln auf, die im Handel dort vorkommen, nämlich Gallae quercinae, Gallae tamaricis und Gallae indicae, und berichtet zugleich von den letztern, dass sie verbrannt, pulverisirt und mit Wasser, worin Gummi aufgelöst sey, vermischt würden. Mit dieser Auflösung mahlten sich aber die arabischen Weiber und besonders die Mädchen, schwarze Linien*3. Ob diese indischen Galläpfel wirklich aus Indien kommen, und welcher Pflanze, und welchem Insekte sie ihren Ursprung verdanken, darüber ist nichts bekannt. Doch auch China hat seine eigenen Galläpfel. Es belegen nämlich die Chinesen die Nester einer auf den Blättern und Aesten des Baumes Yen-fau-tse lebenden Insektenart mit dem Namen Ou-poey-tse. Sie ähneln den Ulmengallen und sind so scharf und adstringent, dass sie alle Arten von Galläpfeln übertreffen. Doch dunkel und verworren sind die Nachrichten darüber. Es sind nämlich diese Ou-poey-tse die Behältnisse, worin die erwähnten Insekten ihre Eier legen und mitunter so gross als eine Faust, wo sie dann aber auch von einem ausserordentlich grossen Wurme hervorgebracht werden sollen.
*) Winterbothams ausführliche Darstellung von Sina und seinen zinsbaren Staaten, aus dem Englischen von J. С Fick. Erfurt 1798. Th. I. S. 567.
*2) Hist. nat. 15, 6. — Ed. Franz, cap. 12.
*2) Journal complémentaire du dictionnaire des sciences medicales. Tome IX. Cahier 56. Juin 1821. à Paris 1821. Notizen über die Pistacien und Terpentinbäume und die Gallen oder Bläschen, welche die Saumlaus Aphis pistaciae L. auf ihnen erzeugt, van d'A... und Virey (aus den medicinischen Annalen des Pierer und Choulaut auf 1822. Heft I. S. 98.
*4) De nat. anim. 3, 46. S. auch Ctesias in Indicis apud Photium pag. 70., wo es heisst: In Indien werden Thiere erzeugt, von der Grösse der [-] und von rother Farbe. Sie haben sehr lange Füsse und sind weich anzufühlen. Sie ent stehen auf den Bäumen, die das [-] hervorbringen und nähren sich von de ren Früchten, denen sie auch eben so verderblich sind, wie in Griechenland die [-] dem Weinstocke. Die Indier zerquetschen diese Thiere und färben damit ihre Kleider purpurn und was sie sonst noch damit färben wollen, und diese Gewänder sind auch noch schöner, als die in Persien gefärbten. — Also höchst wahrscheinlich eine Coccus- oder Aphis - Art.Gewöhnlich findet man sie jedoch von dei Grösse einer Kastanie und von run der oder länglicher Gestalt. Anfanglich haben sie eine dunkelgrüne Farbe, werden jedoch nach und nach gelb, und die Hülse, obgleich ziemlich fest, wird dann sehr spröde. Dasselbe Insekt, was diese Gallen hervorbringt, soll auch zugleich eine Art Wachs produciren. Die Bauern sammeln diese Ou-poey-tse, ehe noch das eingeschlossene Insekt ausgeschlüpft ist und tödten solches dadurch, dass sie die Gallapfel eine Zeitlang in siedendes Wasser thun. Man gebraucht aber diese Ou-poey-tse, theils um dem Papiere j theils um der Seide, ehe sie verwebt wird, eine schöne schwarze Farbe zu geben. Gleichfalls schwärzen sich die chinesischen Gelehrten damit in ihrem Alter die Barte und in der Medicin werden sie sehr hoch gehalten*. Endlich ge hören noch hierher die Pistaciengallen, die schon Plinius gekannt zu haben scheint*2. Man findet nämlich auf allen Arten der Pistacien und zwar auf Pistacia vera, terebinthus, lentisci, chia vel cypria und auch atlántica nach Desfontaines, Gallen oder Bläschen, welche der Aphis pistaciae L. ihren Ursprung verdanken. Sie haben nach Verschiedenheit des Insekts auch verschie dene Formen; so werden die schotenförmigen Bläschen durch Aphis varietas ramuli, die kugelichen durch Aphis varietas pedunculi, die wulstigen (en bourrelets) durch Aphis varietas folii hervorgebracht. Auch hat jede dieser Gallenarten wieder ihren eigenthümlichen Sitz an einem bestimmten Theile des Baumes; die schotenförmigen auf den äussersten Enden der Aeste, wo die Blüthenknospen entstehen, die kugelichen an den Blüthenstengeln (pedoncules floraux), die wulstigen an den Blättern, und es werden diese Gallen zum Rothfärben, so wie auch im Orient zur Parfümirung des Mundes gebraucht*3. Wahrscheinlich ist diese, besonders in China uni Persien vorkommende, Pistaciengalle mit dem Gallapfel identisch, wovon Savary in seinem Dictionnaire de commerce (article, galle) erzählt, dass es eine eigene röthliche Art in der Türkei von der Grösse einer Haselnuss gebe und Bazgendge genannt würde. Man bediente sich aber derselben zur Versetzung der Cochenille. Auch lässt sich hierdurch jene bis jetzt problematisch gebliebene Anführung des Aelian am besten erklären. In Indien, so erzählt er nämlich*4, werden Thiere erzeugt von der Grösse der [-] und von rother Farbe, die dem Zinnober roth nahe kommt. Sie haben sehr lange Füsse und sind weich anzufühlen. Sie entstehen auf den Bäumen, die das [-] hervorbringen und nähren sich von deren Früchten. Die Indier sammeln sie, drücken sie, aus und färben damit ihre Kleider purpurroth und was sie sonst damit färben wollen. Ein solches Kleid wird auch dem Perserkönige geschickt. Nach Aussage des Ctesias schätzen die Perser diese Kleider mehr, als die inländischen, und sie sind prächtiger und glänzender, als die berühmten sardianischen Kleider.
Eigen ist es, dass man, fast so weit die Geschichte reicht, sowohl in der alten als neuen Welt, Insekten und namentlich Coccus-Arten zum Rothfärben gebraucht hat; so in China und Ostindien den Gummi-Lack, in Persien, Syrien, Kleinasien und Südeuropa den Kermes, in Nordeuropa das Johannisblut und in Amerika die Cochenille. Der Gummi-Lack, welcher besonders in den indischen Provinzen Bengalen und Pegu häufig vorkömmt, ist das Prodult einer Schildlaus, Coccus ficus Fabr., auch Coccus lacca genannt. Die unter dem Namen Gummi-Lack bekannte Substanz klebt das Thier an die Zweige mehrerer Bäume, namentlich der Ficus indica und religiosa, Mimosa cinerea und Butia frondosa dergestalt fest, dass dadurch Zellen gebildet werden, worin sich die Eier befinden; auch geben manche von diesen Bäumen, namentlich Plaso horti malabarici, schon an und für sich einen rothen Kleber. Kommt dieses Produkt in seinem natürlichen Zustande, noch unabgesondert von den Zweigen, woran es befestigt ist, zu uns, so wird es Zweig-Lack (Stick-lac) genannt; Kornerlack (Seed-lac) aber, wenn er abgesondert, gestoben und der Grössere Theil des Farbestoffes durch Wasser ausgezogen ist. Lumpenlack (Lump-lac) heisst er geschmolzen und in Ku chen geformt, und Schelllacl? (Shell-lac) geseihet und in durchsichtige Tafeln geformt. In ihrem Vaterlande wird diese Substanz sehr mannichfach benutzt. Man gebraucht sie namentlich zur Verfertigung von Halsschnur - Kugeln, Ringen und andern weiblichen Zierrathen. Mit Sand gemengt braucht man ihn als Schleisstein, und mit Lampen - oder Elfenbein - Schwarz (Russ oder Frankfurter Schwärze), (nachdem der Gummi-Lack zuvor in Wasser mit ein wenig Borax aufgelöst worden), entsteht eine Dinte, die nicht leicht zerstörbar ist, wenn sie durch Wasserdampf getrocknet wird. Früher bediente man sich seiner hauptsächlich in der Mischung der Firnisse bei der japanischen Waare und zur Verfertigung von Siegellack, doch ist er jetzt bei weitem wichtiger geworden, seitdem man ihn als Stellvertreter der Cochenille beim Scharlachfärben anwendet. Roxburgh fand nämlich, dass besonders die Eier den meisten Farbestoff enthalten, und dass dieser im frischen Zustande in Grösserer Quantität existirt, als wenn sie getrocknet sind. Es wurden daher zu Calcutta durch Fällung des Färbestoffes aus dem Zweig-Lack aus einer Laugenauflösung mittelst Alaun eine grosse Menge der Substanz, die Lac-Lake heisst, verfertigt und nach England geschickt, wo Anfangs der Verbrauch so beträchtlich war, dass in den drei Jahren vor 1810 der Absatz davon zu Färbematerialien einer halben Million Pfund, dem Gewichte nach, von Cochenille gleich bam. Gegenwärtig wird noch eine neue Zubereitung der Lackfarbe unter dem Namen Lac -dye aus Indien eingeführt, die an die Stelle des Lac -Lacke mit solchem Gewinn gesetzt ist, dass die ostindische Gesellschaft in wenigen Monaten 14000 Pfund in dem Handel mit Scharlachtüchern, die mit dieser Farbe und Cochenille zusammen gefärbt worden, ohne dass die Farbe schlechter war, gewonnen hat.
*) S. Philos. Trans. for 1781. Vol. 71. Р. II. Nr. 24. (Aufsatz von Kerr). — Asiatic Researches von 1789 und 90. (wo Roxburghs Aufsatz befindlich). — Kirby etc. Th. I. S. 556. — Godofredi junioris observationes de gummi laccae aliisque materiis, in dem Appendix ad Volumen tertium actorum physico - medicorum. Acad. Caesar. Leopoldin. Carolinae naturae curiosorum in Germania, pag. 60 — 76. — Turners Reise in Butan und Tibet, welche in: Harnisch, die wichtigsten neuem Land- und Seereisen, Th. 6. Leipzig 1824. s. Einleitung, angeführt ist. — Lesser, -theolog. des insectes. Tom. II. S. 165. Ferner: Journal complémentaire du dictionnaire des sciences medicales, Tome X. Cahier 59. Septembre 1821. à Paris chez Pankouke. 8. S. 578., worin ein Aufsatz von J. Virey, welcher die ausführ liche Monographie des Gummi- Lack und die Resultate neuerer Forschungen über die Cochenille enthält. — Auch Reise der holländischen Gesandtschaft nach Sinin den Jahren 1655 — 1657. S. 556.
*2) In Germania. cap. 17.
*3) Heumanns Vorrede zu Tresenreuters Abhandlung rom Hopfen, §. 9. Bei Schrank Fauna boica. Bd. II Abtheil. 1. S. 148.
*4) Frisch, Insekten. Th. V. S. 6. S. auch Schrank 1. с.
*5) De insectis. lib. 5. cap. 1. S. 255.
*6) Histoire des drogues, à Paris 1694. Fol. Buch 5. S. 161.
*7) In Dioscoridem. lib. 4. cap. 59. (apud Breynium cap. 8).
*8) Geographica ad calc. hist. armen. ed. Whisbok. Lond. 1756. pag. 335—368. — Bei Sprengel, Geschichte der Botanik. 1817. Th. I. S. 185.
*9} Revue encyclopédique, à Paris. Février 1825. pag. 550.
*10) Schauplatz der Raupen etc. S. 167.
*11) Alle diese Nachrichten über Coccus radicum sind entnommen zumal aus: J. P. Breynii hist. nat. cocci radicum tinetorii, cum figur. coloratis. Gedani 1731. 4. — Philosophical transactions. Band 54 für das Jahr 1764. Art. 15., nach dem Auszug in dem neuen Bremischen Magazin Band I. Stück 3. S. 599. — Schrank, fauna boiea. — Frisch, Insekten, Th. V. S. 6. — Abhandlungen der schwedischen Akademie der Wissenschaften, Band III. Bei Fuessli: Neues Magazin der Ento mologie, Bd. II. S. 23 u. 24. . S. auch Caelius Rhodiginus lib. 8. cap. 11. (298.): Est autem (Purpurae genus) ex vermículo quem Poenorum lingua carmen dicit: unde officinis frequens carmesini nomen elatura. Habetur autem certis locis carmesis, uti proditum eruditis est, ex herbae radice, quam saxifragam vocent, quaeque pimpinella sit vel ei proxima.Lange Zeit herrschte übrigens über die Naturgeschichte des Gummi - Lacks grosse Dunkelheit; Rajus hielt es für ein ausschwitzendes Harz, doch auf das Ansehen von Tachard und Tavernier gestützt, glaubten die meisten Naturforscher: es wäre das Produkt einer Ameisen- oder Bienenart. Da traten Kerr und besonders Roxburgh auf, und lieferten in den Philosophical Transactions und den Asiatic ) searches die vollständige Naturgeschichte, welche durch neuere Beobachtungen nun ganz ausser Zweifel gesetzt ist*. Uebrigens dürfte dieser Gummi-Lack identisch mit den eben angeführten Pistaciengallen seyn.
Wenn aber das Gummi-Lack als ein Produkt von China und Indien er scheint, so benutzte doch auch das nördliche Europa mehrere ihm eigenthümliche Coccus-Arten zum Rothfarben. Es wächst nämlich fast in ganz Europa auf sandigen und steinigen Feldern eine Pflanze, Scleranthus perennis. Wenn man zu Ende Mai und Anfang Juni deren Wurzel untersucht, so findet man, zumal in der Ukraine, PodolienMasovien, Volhynien, Litthauen, Preussen, Pommern, der Mark, Mecklenburg, auch wohl im Braunschweigiscben, kleine sphärische, purpurfarbene Körner daran hängend, die aus einem zarten Häutchen, das einen rothen Saft enthält, bestehen. Sie sitzen bald einzeln, bald in Menge, mitunter bis zu 40 beisammen, und man findet sie theils von der Grösse eines Mohn - theils von der eines Pfefferkorns. Esind dieses die Puppenhülsen des Coccus radicum, und es schlüpfen, aus dea kleinen, geflügelte Männchen, aus den Grösseren aber ungeflügelte Weibchen, welche nach geschehener Begattung in die Erde kriechen, und unter Ausschwitzen einer weisslichen Wolle sich in eine Masse von 50, ja bisweilen von 150 Eier, dem unbewaffneten Auge kaum sichtbar, auflösen, woraus nach Verlauf von etwa einer Woche im August die Larven hervorkriechen. Jene Bläschen oder Puppenhülsen werden nun um Johanni, kurz vor, ihrer Verwand lung dergestalt gesammelt, dass die Ortsbewohner die Pflanzen mittelst beson derer, kleiner Spaden ausheben. Man thut sie darauf in irdene Geschirre und trocknet sie beim Feuer langsam aus, wobei sie eine fettige, wenig Färbestoff enthaltende Materie ausschwitzen, und zugleich einen sehr durchdringenden, doch^aber eben nicht widrigen, urinösen Geruch von sich geben. Sie werden sodann theils in Körnern, theils in Klumpen verkauft und zum Rothfärben gebraucht; weil aber die Einsammlungszeit dieser Insekten gewöhnlich Johanni ist, so wurden sie, zumal früherhin, gemeiniglich Johannisblut genannt. Ihre Benutzung steigt bis in die Zeiten des Alterthums hinauf. So ist es höchst wahrscheinlich, dass die purpurn gefärbten linnenen Gewänder, von denen Tacitus erzählt, dass sich dadurch die germanischen Weiber von den Männern hauptsächlich unterschieden*2, mit diesem Coccus radicum gefärbt waren. In den Capitularien der fränkischen Könige werden die Johanniswürmer (vermicula) unter die herkömmlichen Dienstreichungen gezählt*3. Dem Stifte zu St. Emitieran in Regensburg mussten die in Baiern entlegenen Unterthanen jährlich eine gewisse Quantität des sogenannten Johannisblutes eindienen*4. Ulysses Aldrovandus, der im Anfange des 17ten Jahrhunderts starb, erwähnt dieses rothfärbenden, in Polen und Deutschland vorkommenden Coccus radicum*5 Gleichfalls versichert Peter Pomet in seiner 1694 herausgekommenen Histoire des drogues, dass sich in Frankreich häufig ein kleines, dunkelrothes Korn von der Grösse eines Stecknadelknopfes an der Wurzel der Pimpinelle finde und von den Färbern unter dem Namen Korn - oder Wald - Cochenille Eekauft würde*6. Auch Janus Cornarius erzählt in seiner 1557 herausgekom menen Ausgabe des Dioscorides, dass in Podolien die an den Wurzeln einer der Wegebreite ähnlichen Pflanze sich findenden Körner unter dem Namen Zscherbitz, gesammelt und dazu gebraucht würden, um Zeuge Scharlachund Carmoisinroth zu färben; es koste aber an dem Fundorte der fünfte Theil eines Pfundes 5 bis б Goldgulden*7. Der Gewinn dieses Produktes war zumal in Polen so bedeutend, dass der König Sigismund im Jahr 1601 einen Zoll darauf legte, und die polnischen Edelleute, die in der Ukraine Ländereien besassen, verpachteten die Einsammlung dieses Coccus mit vielem Vortheil an die Juden. Gegenwärtig wird dieses Johannisblut wohl nur noch in einigen Gegenden Polens und der Ukraine, wo man es am häufigsten findet, gesammelt und von den Landesbewohnern gebraucht, aber nicht mehr als Handelsartikel ausgeführt. Doch nicht blos der Scleranthus perennis liefert diesen Coccus, sondern auch bei andern Pflanzen, namentlich bei Hieracium pilosella, Arbutus uva ursi und Poterium sanguisorba findet man an den Wurzeln diese oder eine verwandte, zum Pvothfärben dienende Coccus-Art. Ja Moses von Chorene, der im Anfange des fünften Jahrhunderts lebte, erwähnt in seiner Geographie, dass am Ararat ein Wurm an der Wurzel eines Grases vorkomme, der zum Rothfarben tauglich sey*8. Gewiss ist dieses auch eine hierher gehörige Coccus-Art; doch scheint die Kenntniss des Insekts und die Benutzung verloren gegangen zu seyn, indem ich bei keinem neueren Schriftsteller etwas darüber habe auffinden können: Auch in der Revue encyclopedique des Jahres 1825 kommt ein. Artikel vor, wornach in der Ukraine ein neuer Strauch entdeckt war, der Würmer, die das beste Carmoisin lieferten, ernähre. Das Pfund solle nicht mehr als 2 Rubel — 2 Francs — kosten, und so viel Farbe als ½ Pfund Cochenille geben*9. Doch ist dies wahrscheinlich nichts weiter, als eine neue Erwähnung des schon längst be kannten vorerwähnten Coccus radicum, von dem übrigens Blanckaardt ver sichert, dass sich auf den Bermudischen Inseln und in Nordkarolina ein ähnlicher Färbestoff finde*10. Warum es übrigens bei der jetzigen Lage der Dinge nicht zweckmässig seyn dürfte, diesen Coccus radicum im grossen zu sammeln und als Farbematerial anzuwenden, darauf werde ich weiter unten zurückkommen*11, und so will ich gleich zu dem nicht minder wichtig gewesenen Kermes übergehen.
*) Hist. nat. 16, 8; — ed. Hard. 12. und 9., 41. - ed. Hard. 65.
*2) Plinianae exercitationes. S. 190 - 194. et de homonymis hyles iatricae. pag. 92.
*3) S. Naturforscher, Stück 25. S. 210. und Wahl Erdbeschreibung von Ostindie S. 768.
*4) Kirby, Einleitung. Th. I. S. 351.
*5) Olivier, Reisen etc. Th. III. S. 395.
*6) Dodwell, Reise durch Griechenland, übers. von Sickler. Bd. I. Abtheil. 1. S. 75 und 265.
*7) Moritz v. Kotzebue Reise nach Persien. Weimar 1819. 8. S. 90.
*8) Link, spanische Reise. Th. I. S. 271.
*9) Peter Quiqueranus, de laudibus provinciae Lion. 2. pag. 257.
*10) Dillon, Travels trough Spain with a view to illustrate the natural History of that Kingdom. London 1780. 4. (Aus dem Hannoverschen Magazin, Stück 37, den 7. Mai 1781. S. 577. und folg., und überhaupt meine noch ungedruckte Abhandlung Über den Koxxoç der Alten. Auch Townsend, Reise durch Spanien in den Jahren 1786 und 1787, übersetzt von Volkmann. Leipzig. 3 Theile. S. 306.
*11) Vol. I. pag. 404, Bei Kirby Th. I. S. 552.Schon den Griechen und Römern war er unter deni Namen [-] oder Coccus bekannt, und nach Plinius zog man dieses Produkt vorzüglich aus Galatien, Afrika, Pisidien, Sardinien, auch Spanien, welches den besten, Sardinien aber den schlechtesten lieferte*. Da die Kenntniss des alten tyrischen Purpurs verloren gegangen war, und besonders durch die Herrschaft der Araber der Gebrauch des Coccus sich weithin verbreitet hatte, so vertrat dieser die Stelle des Purpurs und ward weltberühmt. Den Arabern hat er auch den Namen Kermes oder Chermes zu danken, was nach Salmasius nichts weiter als das corrumpirte lateinische Wort vermis ist*2, wogegen Chardin und Wahl versichern, dass es entweder der einheimische Name dieses Insektes sey, oder dass damit alle zum Ilothfärben dienenden Substanzen belegt würden*3. Von diesem Worte Kermes ist auch unsere Carmoisinfarbe abzuleiten. Auch die Phönicier vor Moses Zeiten sollen bereits diese Farbe unter. dem Namen Tola oder Thola gekannt haben, und die Substanz, mit welcher die Vorhänge des Tabernakels dunkelroth gefärbt waren (Exodus, 26. caet.) dürfte ebenfalls nichts anderes als Kermes gewesen seyn*3. Es ist dieser Kermes eine beson dere Coccus-Art, Coccus ilicis, der auf einer immergrünenden Zwergeiche (Quercus coccifera L.), vorzüglich zwischen den Winkeln, welche die Zweige unter sich oder auch mit dem Laube machen, vorkommt. Diese Eiche heisst im Spanischen coscoxa, auch carrasca, welcher letztere Ausdruck von dem arabischen Worte yxquerlat, welches nachmals in escarlatta verwandelt wurde, herstammt; und sie findet sich in Südeuropa,, Kleinasien, Nordafrika, Persien und Armenien. Im beginnenden Frühjahre zeigen sich an diesem Baumstrauche eine Menge kleiner Körper, die mçhr oder weniger einer Musche schaale gleichen, unempfindlich und leblos scheinen. Im Monat März habe [] vollkommene Grösse versicht unde aud fem Rachen zeigen sich seiden artige weisse Flocken. Die äussere Hülle wird immer fester und gegen Ende Mai findet man darunter bis auf 2000 Eier. Aus diesen schlüpfen die Insekten aus, welche sich noch einige Tage unter der Hülle aufhalten und sodann aus einer Oeffnung, die sich immer in dem Hintertheile der Hülle befindet, her vorkommen. Zweierlei Arten gieht es davon; die eine hit die Farbe der Schlehen und legt rothe Eier, die andere ist seltener; schmutzig weiss und legt weisse Eier. Doch sind bei beiden die Männchen geflügelt, so wie sie auch zu gleichem Gebrauch dienen. Sobald sie die bedeckende mütterliche Hülle verlassen haben, verbreiten sie sich über den ganzen Baum und nehmen besonders aus den Blättern; ihre Nahrung. Doch ist ihr Umfang noch klein und in den Monaten Juni bis mit Oktober wachsen sie nur wenig. Im November werden sie zwar bedeutend Grösser, doch nur wenig dicker und die geflügelten im Verhältniss sehr kleinen Männchen sieht man mit Bequemlichkeit auf ihrem Rücken herumspatzieren und einen Akt vollziehen, welcher wahrscheinlich der der Begattung ist. Sobald die Blätter anfangen abzufallen, ziehen sich die. "Weibchen auf die jungen Triebe zurück und entweder schon dann oder gewiss im Monat März, setzen sie sich vermittelst vier helhveisser runzlicher Strahlen, womit sie sich ankitten, fest. Yon dem März an wachsen sie nicht mehr in die Länge öder Breite, doch vermehrt sich ihre Höhe und im April erscheint die Zeit der Eierlegung; es kommen aber diese aus einer Oeffnung hervor, welche am Ende des Leibes unter zwei Hervorragungen der Schaale, die einen Winkel bilden, liegt. Zugleich zeigt sich unterhalb der äussern Hülle, die nur dazu dient, die Eier zu bedecken, indem diese sonst von der atmosphärischen Luft ausgebrütet werden, eine seidenartige, weiche, flockige, die Eier umhüllende Masse, worin diese locker liegen. Die ganze innere Masse löst sich in die Eier auf und man kann in dieser Zeit die Thiere von den Bäumen lostrennen, ohne dass sie aufhören Eier zu produciren, so lange nur noch etwas von ihrer Substanz übrig ist. Bevor diese Eier auskriechen, hn April, werden sie: mit der umgebenden Hülle einge sammelt, wozu man sich blos der Nägel bedient, die man ausdrücklich zu diesem Behuf wachsen lässt, und damit die in den gesammelten Eiern enthaltenen Insekten nicht ausschlüpfen, werden sie mit Weinessig besprengt, wovon sie eine schmutzig rothe Farbe erhalten. Gewöhnlich liefert jedes Jahr nur eine Lese, doch werden bisweilen als zweite Lese hauptsächlich die Thiere eingesammelt, die sich noch auf den Blättern befinden. Noch gegenwärtig wird in Griechenland, namentlich in der Gegend von Athen*5 und auf den sieben Inseln*6, der Kermes gesammelt, so wie auch nach Kotzebue's Versicherung zu Maranda, ohnweit Tauris in Persien*7, auch gewiss noch in vielen andern Gegenden von Kleinasien und Südeuropa, namentlich Spanien; obgleich die Konsumtion durch den Gebrauch der Cochenille und des Gummilacks so abgenommen hat, dass er namentlich aus Portugal, wo er früher sehr häufig gesammelt wurde, gar nicht mehr ausgeführt wird*8. Sonst war der Kermes ein sehr wichtiger Handelsartikel und im Jahr 1550 schätzte man den Ertrag davon auf den steinigten Feldern des arelatischen Gebietes in Südfrankreich zu 11000 Dukaten*9 Noch in der Mitte des vorigen Jahrhunderts brachte er den Einwohnern von Xixona ohnweit Valencia in Spanien jährlich an 5000 Pfund Sterling ein; mehr als 1000 Menschen beschäftigten sich mit der Einsammlung, und im Jahr 1758 wurden bei erwähntem Xixona 300 Arroben Kermes gesammelt und die Arrobe zu 24 Rthlr. verkauft. Er gieng besonders nach der Barbarei, wo ihn zumal die Kaufleute von Tunis mit dem Kermes von Tetuan vermischten, um damit eine in der Levante sehr gangbare Mützenart zu färben. Auch soll sich die Farbe sehr gut halten und namentlich Holland damit gefärbte Tapeten, die über 200 Jahr alt sind aufweisen, welche trotz dem ihre schöne Farbe völlig erhalten haben*10. Bisher gab der Kermes, indem früher lediglich Alaun als Beitzmittel angewandt wurde, eine blutrothe Farbe, und die jetzige Scharlachfarbe erhielt man von der Cochenille. Doch hat neuerlich Dr. Bancroft gefunden, dass wenn man bei dem Kermes, wie dies bei der Gochtnille gebräuchlich ist, eine Zinnauflösung anwendet, dies eine eben so prächtige und vielleicht haltbarere Scharlachfarbe giebt*11.
Was nun aber die Cochenille betrifft, so ist solche ebenfalls eine Coccus-Art und lediglich ein Produkt der neuen Welt und zwar Amerika's, obgleich der Verfasser des Artikels Cochenille in dem Dictionnaire des sciences naturelles, ich weiss nicht, worauf gestützt, behauptet, dass solche ursprünglich in Afrika zu Hause zu seyn scheine. In Amerika nun und zumal in Mexiko ist deren Kenntniss von sehr hohem Alter, und vor der Entdeckung Amerika's, namentlich im 12ten und 13ten Jahrhundert, soll ihre Kultur bei weitem mehr verbreitet gewesen seyn, als jetzt. Zweierlei Arten aber kennt man davon, die sogenannte zahme oder feine auch mehlichte Cochenille, Grana fina, und die wilde oder wollichte Cochenille, Grana sylvestre. Jene zeichnet sich theils durch ihre Grösse, theils dadurch aus, dass sie mehlicht und mit einem feinen Staube bedeckt ist, wogegen diese in so dichte Wolle gehüllt vorkommt dass man ihre Ringe nicht unterscheiden kann. Beide finden sich auf den sogenannten indischen Feigenbäumen, doch die feine auf einem noch unbe schriebenen, dem Cactus coccinellifer ähnlichen Gewächse, welches nur kultivirt vorkommen soll, während die wollichte Cochenille auch noch auf ver schiedenen andern Cactusarten, wie C. coccinellifer, Tuna etc. lebt. Die feine ist lediglich, so wie der sie beherbergende Cactus, ein Produkt der Kultur, und es ist ungewiss, ob sie eine ursprünglich eigene Art ist, oder sich nur durch die Jahrhunderte lang dauernde Kultur nach dem jetzigen Typus gebildet hat; übrigens ist es wahrscheinlich, dass man noch nicht einmal eine genaue Beschreibung von Ar hat, indem namentlich von Linnée, Ellis und Geer nur die wilde, unter dem Namen Coccus cacti coccinelliferi, gekannt und beschrieben ist, ja selbst Humbold sie nicht zu Gesicht bekommen zu haben scheint. Sie wird lediglich in den mexikanischen Provinzen Mixtacapan oder der Misteca und Huaxyacac oder Oaxaca gezogen, doch auch früher in der Intendantschaft de la Puebla in den Gegenden von Cholula, Huejotzingo und auf der Halbinsel Yucatan. Nur an einer einzigen Stelle, 7 Meilen vom Dorfe Mexapa in der Provinz Oaxaca sammelt man auf sehr hohen und dornigten wilden Opuntien die schönste feine Cochenille, ohne dass man sich Mühe giebt, sie zu vermehren oder das Insekt selbst zu pflegen. Die Art der Kultur der Cochenille ist folgende: Beim Beginnen der regnigten Jahreszeit nehmen die Indianer, welche sicli damit beschäftigen und Nopaleros genannt werden, die fleischigen Blätter der ungefähr 4 Fuss hohen Nopalbäume, die sie in regelmässigen Pflanzungen kultiviren, nebst den darauf befindlichen Cochenillmüttern ab und be wahren sie in ihren Wohnungen auf. Es bleiben aber diese Blätter, auch von der Pflanze getrennt, lange frisch und saftig, ohne zu vertrocknen, so dassie dem Insekt hinlängliche Nahrung geben. Nach Endigung der Regenzeit sind die Cochenillmütter so erwaclisen, dass sie auf dem Moment stehen, Junge zu erzeugen. Die Indianer bereiten dann kleine Nesterchen aus einer Gattung von Tillandsia, Paxtle genannt, die sfe auf den Blättern der Nopalbäume zwischen den dort befindlichen Stacheln befestigen, und in deren jedes 12 bis 14 Cochenillmütter gethan werden. Nach kurzer Zeit fangen sie an Junge zu prqduciren, welches 13 bis 15 Tage lang dauert; doch ist es noch nicht einmal ausgemacht, ob sie Eier legend oder lebendig gebährend sind. Es verbreiten sich aber diese Jungen bald über den ganzen Nopal, und sie halten sich am liebsten auf den saftreicbsten Blättern auf der Sonnenseite und da, wo sie vor den heftigen Stürmen geschützt sind, auf. Auch bedeckt man in den kälteren Gegenden die erwähnten Nester mit Matten. Nachdem die Jungen ausgeschlüpft sind, werden die Nester weggenommen, wo die Mütter,. welche solche nicht verlassen, die erste, doch auch dürftigste Erndte liefern. Dieser folgen noch zwei, nämlich zuerst nach 3 bis 4 Monaten, wo man die indess herangewachsenen Jungen, indem man davon .eine hinlängliche Anzalü zurücklässt, mittelst eines Pinsels abstreift; und dann nach einem abermaligen Verlauf von 3 bis 4 Monaten, wo die Nopalblätfcer, Behuss der Aufbewahrungwährend der regnigten Jahreszeit abgepflückt und die überflüssigen Thiere dadurch, dass man die Blätter abkratzt, gesammelt werden. Man hat verschiedene Arten die Cochenille zu tödten; theils thut man sie nämlich in Körbe, die erst in siedendes Wasser getaucht, und dann der Sonne ausgesetzt werden, um sie zu trocknen; theils sind besonders dazu errichtete Oefen vorhanden, worein man, wenn sie hinlänglich erhitzt sind, die Cochenille auf Matten legt; theils bedient man sich endlich zu diesem Endzwecke der Bleche, die man durch darunter gelegtes Feuer erhitzt. Von diesen mannichfachen Tödtungsmethoden kommen auch die verschiedenen: Arten; von Cochenille, die man zu uns bringt. Es ist nämlich dieses Insekt, wie mehrere dahin gehörige, im Leben mit einem weissen Staube bedeckt. Diejenige nun, welche in heisses Wasser getaucht wird, verliert denselben und erhält eine braunrothe Farbe, weshalb man sie renegrida nennt; die im Ofen getödtete Cochenille aber verliert nicht diesen weissen Staub und erhält dadurch, dass das Weisse sich auf einem röthlichen Grunda befindet, eine aschgrau-gefleckte Farbe; daher heisst sie jaspidea; diejenige endlich, welchauf heissem Blech getödtet wirdläuft Gefahr zu sehr erhitzt zu- werden, und wrird dadurch etwas schwärzlich; deshalb aber nigra benannt. Alle Cochenille verliert durch das Trocknen an ihrem Gewichte, doch die von der ersten Lese am meisten; 4 Pfund von dieser geben getrocknet nur 1 Pfund; dagegen von den andern zwei Erndten schon 3 Pfund ein gleiches Gewicht liefern. Uebrigens ist im Handel die Cochenille mit weissem Staub die beliebteste, weil solche am wenigsten verfälscht werden kann.
Diese blos in Mexiko vorkommende feine Cochenille erfordert ein gleichmässiges und kälteres Klima, wogegen die Wald oder wollige Cochenille, von der wir durch Ellis und de Geer sehr genaue Beschreibungen haben, unter den verschiedenartigsten Klimaten in einer Höhe von 2900 Meters und wiederum unter einem brennend heissen Himmel vorkommt. So findet man sie nicht nur in Mexiko, sondern namentlich auch auf St. Domingo, in Nord-amerika, besonders bei Charlestown, in Südkarolina, Georgien und in mehreren Gegenden Brasiliens, auch soll sie neuerlich nach Ostindien gebracht worden seyn, doch habe ich nicht in Erfahrung bringen können, ob ihre Kultur daselbst geglückt ist; ich zweifele aber daran, zumal da den dort einheimische Gummilack gegenwärtig so sehr in Aufnahme gekommen ist. In der neuesten Zeit sind Versuche gemacht, die Cochenille in Spanien zu kulti viren,, und der Erfolg wird zeigen, ob sich das Klima von Europa dazu eignet. Doch auch mehrere andere, in Ostindien vorkommende Coccus-Arten sind als Cochenille-Surrogat in Vorschlag gebracht, und Anderson hat sechs Arten, die auf Aira spicata, Phyllanthus emblica, Parietaria indica Linn.; Robinia grandiflora, Psidium quajava, Hibiscus Rosa sinensis, Vitis vinifera, Galega prostrata, Robinia mitis und Solanum melongena vorkommen, zu diesem Behuf näher beobachtet und beschrieben; ich habe aber nichts darüber finden kön nen, ob dieser Vorschlag wirklich praktisch angewandt ist. Uebrigens ist die Cochenille-Zucht für Mexiko von grosser Wichtigkeit. So kommen nach Versicherung des Hrn. v. Neufville von der feinen Cochenille jährlich an 700000 Pfund, und von der wolligen an 180000 Pfund nach Europa. Humbold giebt die jährlich aus Südamerika ausgeführte Menge an 32000 Arroben und zu 540000 Pfund Sterling an Werth an, wovon nach Bancrofts Berechnung grossbrittannien allein 750 Säcke oder für 375000 Pfund Sterling konsumirt. Selbst Persien bezieht, nach Pallas Versicherung, von Astrachan aus jährlich bis 1000 Pud Cochenille, das Pud zu 300 Rubel (Pallas, Bemerkungen auf einer Reise in die südlichen Statthalterschaften des russischen Reiches, Leipzi 1799. Band I. S. 200.), wogegen es wieder, da Südrussland keine Eichenällder hat, nach Russland an 3000 Pud Galläpfel, zu 12 Rubel das Pud, liefert.
*) S. mein noch ungedruchter Aufsatz über Cochenille und Kirby, Th. I.
*2) Dictionnaire des sciences naturelles. Tome IX. article coehenille.Bei diesem Ungeheuern Verbrauche wäre es allerdings sehr wünschenswerth, wenn einheimische Produkte, wie namentlich Coccus ilicis und radicum, wovon besonders der erstere, wie oben gezeigt worden ist, eine eben so schöne Scharlachfarbe, wie die Cochenille liefert, an deren Statt genommen würden. Doch die Erfahrung zeigt, dass in den heissen Klimaten alle eigenthümlichen Farbestoffe sich in bei weitem mehr concentrirter Vollkommenheit, als in den kälteren, entwickeln. So enthalten unsere und die levantischen Galläpfel im Ganzen gleiche Bestandtheile, doch letztere in bei weitem Grösserer Intensivität; so dass man lediglich dieselben gebraucht. Eben so haben Versuche bewiesen, dass erst 10 bis 12 Pfund Kermes so viel Färbestoff enthalten, als Ein Pfund Cochenille, so dass diese, wenigstens bei den jetzigen Handelsverhältnissen, immer, nach Maassgabe der Güte, ein bei weitem wohlfeileres Färbematerial liefern wird, als. die inländischen Produkte*. Was übrigens bei der Cochenille und den andern Coccus-Arten eigentlich das färbende Princip ist, darüber hat die Chemie, so viel mir bekannt, noch kein bestimmtes Resultat geliefert, und man weiss nur, dass es in Wasser, Alkohol und Schwefeläther auflöslich ist, denn wenn man die Cochenille mit siedendem Wasser behandelt, so erhält die Flüssigkeit eine Carmoisinfaibe, die in das Violette übergeht, und zwei Hauptbestandteile zeigt: das färbende Princip und eine ungefärbte thierische Substanz. Doch wird uns die Zoochemie, die in neuerer Zeit so bedeutende Fortschritte macht, auch hierüber nicht mehr lange in Ungewissheit lassen, und wahrscheinlich besteht es, in Verfolg der Odier'schen Versuche, in einem Oele (Trommsdorffs Journal der Pharmacie, Band 8. Leipzig 1824. S. 233 — 253.). Die Cochenille wird aber theils zur Scharlachtheils zur Carminfarbe gebraucht. Um der Wolle eine Scharlachfarbe zu geben, bedient man sich einer sehr gesättigten Auflösung von Zinn, Weinstein und Cochenille. Carmín aber wird dadurch bereitet, dass man in siedendes Wasser nach und nach Kermes, Cochenille und eine dem Zimmt ähnliche Fände, die im Französischen Ecorce d'autour heilst, kochen lässt, und Alaun hinzufügt, worauf sich der Carmin niederschlägt, der demnach aus weiter nichts, als dem färbenden Frincip und Alaun zu bestehen scheint*2.
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