8.2.11

Köhler's Medizinal-Pflanzen: Mallotus philippinensis




Köhler's Medizinal-Pflanzen
in
naturgetrenen Abbildungen mit kurz erläuterndem Texte.

ATLAS
sur
Pharmacopoea germanica, austriaca, belgica, danica, helvetica, hungarica, rossica, suecica, Neerlandica, British pharmacopoeia, zum Codex medicamentarius, sowie zue Pharmacopoeia of the United States of America.

Herausgegeban von G. Pabst.

Band I.
Mit 88 Tafeln in Farbendruck nach Originalseichungen von Walther Müller in Gera.

Gera-Untermhaus.
Verlag von Fr. Eugen Köhler.
1887.




Mallotus philippinensis Müller Argov.

Syn. Rottlera tindoria Roxb. Rottlera aurantiaca Hook, et Arn. Croton philippense Lam. Croton punctatum Retz. Croton coccineum Willd. Echinus philippensis Baillon.

Kamala - Kamela, Kamal, Punnaga Kesara.

Familie: Euphorbiaceae. Gattung: Mallotus Lour.

Beschreibung. Bis über 10 Meter hoher, immergrüner, diöcischer Baum oder Strauch, dessen jüngere Zweige, Blattstiele, Blätter, Blüthenstände und Früchte mit Drüsen und rostigem Filze bedeckt sind, mit abwechselnden, 8-12 Ctm. langen, 3-5 auch 7 Ctm. breiten, rhombisch-eiförmigen, rhombisch-lanzettlichen, länglich-elliptischen oder länglich-eiförmigen, zugespitzten, am Grunde ebenfalls zugespitzten oder abgerundeten, auch schwach-herzförmigen, ganzrandigen, handförmig-3 nervigen Blättern, deren Mittelnerv stärker hervortritt und vom unteren Drittel ab mit mehreren stärkeren Seitennerven versehen ist; die Blätter sind oberseits kahl, unterseits mit einem kurzen und dichten anfangs rostigen, später graubräunlichen, zuletzt fast weissen Filze überzogen und zwischen dem Filze mit vielen rothen Drüsen besetzt. Blüthen in achsel- oder gipfelständigen Aehren oder Trauben, mit am Grunde verdickten Brakteen. Männlicher Blüthenstand eine längere, oft vielverzweigte, achselständige Rispe bildend, weiblicher Blüthenstand in lockeren, ährenartigen, end- und achselständigen Trauben. Männliche Blüthen zu 3 aus der Achsel der Brakteen, mit einer Blüthenhülle, deren 3 oder 4 lanzettförmige Blätter zurückgebogen sind. Staubgefässe 20 oder mehr, auf convexem, nacktem Receptakulum, mit langen Filamenten und auf dem Rücken angehefteten, 2 fächerigen Beuteln. Pollen rund. Weibliche Blüthen einzeln aus der Achsel der Brakteen, mit einer 2- (auch 3- und mehr-) blättrigen Hülle, deren breit-eiförmige Blätter unten leicht verbunden sind. Fruchtknoten von der Hülle eingeschlossen, 3 fächerig, dicht mit sternförmigen Haarbüscheln und kleinen körnigen Körperchen bedeckt. Griffel zu 3, breit, ausgebreitet, auf der Innenseite die gross- und dicht-papillose Narbe tragend. Kapsel 8-9 Mm. dick, 3 theilig-kugelförmig mit scharlachrothen Drüsen dicht bedeckt. Samen je einer in einem Fache, mit runder Rücken- und flacher Vorderseite, dunkelpurpurbraun, glatt.

Anatomisches: Die gewöhnlich büschelförmig, weniger einzeln auftretenden, oft luftführenclen Haare der Kamala sind ein- und mehrzellig, dickwandig, farblos, schlängelig, sichelförmig oder an der Spitze hakenförmig gekrümmt, den Durchmesser der Drüsen um das Doppelte oder Dreifache übertreffend. Die Kamaladrüsen, welche nach Flückiger aus 0,05-0,10 Mm. messenden, auf einer Seite etwas abgeplatteten und unmerklich vertieften, unregelmässigen, auf der Oberfläche welligen Kugeln bestehen, besitzen eine zarte, schwach-gelbliche Membran, die eine strukturlose, gelbe, mit zahlreichen, keulenförmigen Zellen erfüllte Masse einschliessen. Die mit rothem Inhalte versehenen Zellen, deren Anzahl auf 40-60 angegeben wird, sind strahlenförmig um einen dunkeln Mittelpunkt der abgeflachten Seite gruppirt. Dann und wann wird eine kleine Stielzelle wahrgenommen, die Vogel als aus einer Tochterzelle der Oberhaut entstanden, als die Mutterzelle der kleinen keulenförmigen Harzzellen annimmt.

Verbreitung. Ceylon, Vorder- und Hinterindien, südöstliches China, Java, Philippinen, nördliches und östliches Australien. Die Pflanze erreicht in den Vorbergen des Hymalaya eine
Meereshöhe von 1500 Metern.

Name und Geschichtliches. Kamala ist indischen Ursprunges, ebenso auch die welter unten erwähnten Namen: Wars, Waras, Wurrus. Die ausserdem noch in Europa gebrauchte Bezeichnung Kapila-podi stammt, nach Ch. Rice in New-York, aus dem Sanskrit und bedeutet rothen Staub: Kapila mattroth, podi Staub (Blüthenstaub). Mallotus ist abgeleitet von ----, langwollig, wegen der meistens mit langen, weichen Stacheln besetzten Früchte. Rottlera ist benannt nach dem 1749 zu Strassburg geborenen dänischen Missionär Rottler, der sich in der dänischen Niederlassung Trankebar aufhielt und daselbst botanische Reisen unternahm. Croton stammt von ----- (Holzbock, Hundelaus), wegen der Aehnlichkeit des Crotonsamens mit diesem Insekte.

Nach Flückiger ist die Kenntniss und Benutzung des Kamalabaumes in Indien eine sehr alte, denn schon im 5. Jahrhunderte vor Chr. wird im Kausitaki-Sutra, einem Werke über religiöse Gebräuche, des Kampila (Kamala) in religiöser Beziehung mehrfach gedacht. Ebenso alt dürfte auch die technische Verwendung der Früchte und Drüsen in der Seidenfärberei sein, was durch die Schriftsteller Susruta und Bhava bestätigt wird. Die erste Abbildung hat Rheede in dem "Hortus indiens malabaricus" geliefert und zwar unter dem Namen "Ponnagam" (Sanskrit Punnaga). Im Jahre 1841 erkannte Irvine die wurmtreibende Wirkung der Pflanze.

Blüthezeit. November bis Januar.

Offizineil sind die von den Früchten gesammelten rothen Drüsen: Kamala (Glandulae Rottlerae), die mit Haaren, Fruchtstücken, Fruchtstielen, Blattresten und Sand gemengt, ein feines, leicht bewegliches, von kochendem Wasser schwer angreifbares, dagegen an Chloroform, Alkohol und alkalische Lösungen 75-80 % rothes Harz abgebendes, ziegelrothes Pulver ohne Geruch und Geschmack bilden, welches leichter als Wasser ist.

Die Einsammlung erfolgt im Monat März durch Abstreifen der Früchte in Körbe, worauf durch Schütteln oder Abreiben der Früchte mit den Händen die Kamala auf ausgebreiteten Tüchern aufgefangen wird. Bis jetzt hat die Einsammlung nur in Vorderindien stattgefunden; die beste Waare stammt aus den Bergen zwischen Salem und Süd-Arcot und aus der Gegend am mittleren und unteren Godaveri, von wo aus sie nach Delhi gebracht wird. Kamala ist wenig hygroscopisch. Gute Kamala darf höchstens 3-5% Asche liefern, in welcher 0,07% Eisenoxyd vorhanden sein soll. Aus dem Samen wird ein Oel ausgepresst, dass sowohl zum Brennen als auch als Purgirmittel gebraucht wird.

Ein ähnliches Pulver von dunkelpurpurrother Farbe mit dem Namen Wars, Warras oder Wurrus wird in Südarabien in ähnlicher Weise wie Kamala gegen Bandwurm un Hautkrankheiten, auch als farbstoff in Anwendung gebracht und bildet daselbst, sowie in Noradrika, einen nich unbedeutenden Handelsartikel. Die Stammpflanze dieser Droge, welche in Yemen un Harras zu Hause sein soll, ist bis jetzt unbekannt geblieben. Die an und für sich viel dunklere Farbe des Wars geht im Wasser in Schwarz über, während Kamala unverändert bleibt. Wars aus Aden gab bis 12% Asche.

Verrfälschungen. Der Droge ist häufig Sand (bis 25%), rother Bolus und gepulverte Saflorblumen beigemischt. Mineralstoffe werden durch Verbrennung, Saflor wegen seiner abweichenden Form durch die Loupe nachgewiesen.

Bestandtheile. Nach Anderson ist in dem rothen Farbstoff enthalten: 78,19 % rothes Harz, 7,34% Eiweiss, 1,14%Cellulose, 3,49% Wasser, Spur eines flüchtigen Oeles, 3,84% Mineralstoffe. Durch Ausziehen mit Aether erhielt Anderson ausserdem aus dem rothen Harze gelbe, seidenglänzende, in Wasser unlösliche, in kaltem Alkohol wenig, in Aether leicht lösliche Krystalle, die er Rottlerin (C12H10O3) nannte. Leube konnte Rottlerin nicht wieder erhalten, fand dagegen, dass das mit Aether entzogene Harz durch kalten Weingeist sich in 2 Theile zerlegen lässt: in einen in Weingeist leicht löslichen, bei 80 ° schmelzenden und in einen darin schwer löslichen, dessen Schmelzpunkt 191° beträgt. Ausserdem fand Leube in der Kamala Citronensäure, eisengrünende Gerbsäure, Oxalsäure, Stärkemehl, Gummi. Anderson hat noch eine flockige Substanz mit einer zusammensetzung von C20H34O4 und einen harzartigen, durch essigsaures Blei fällbaren Farbstoff, das Rottleraroth (C30H30O)7 nachgewiesen. (Husemann, Pflanzenstoffe 902.)

Anwendung. Kamala gehört zu den besseren Bandwurmmitteln, welches zuerst von ostindischen Aerzten mit gutem Erfolge versucht und dann auf Empfehlung von Hagen und Drosche bei uns eingeführt worden ist. Es wird in Form von Latwergen oder in Pulverform mit Wasser gereicht. Bei Taenia Solium ist die Wirkung eine vollkommene, bei Taenia mediocanellata jedoch eine zweifelhafte. Unangenehme Nebenerscheinungen, mit Ausnahme von etwas Uebelkeit und Kolik sind ausgeschlossen, daher das Mittel bei Kindern und schwächlichen Personen empfehlenswerth ist. Der Bandwurm wird durch dasselbe getödtet. Nach Hagen ist Kamala auch bei Spul- und Madenwürmer von gutem Erfolge; ebenso sind auch Vortheile einer Einreibung gegen Flechten erkannt worden (Husemann, Arzneimittell. 202). Ausserdem wird die Droge zum Rothfärben der Seide verwendet.

Litteratur. Rheede, Hort. Malab. V, Taf. 21; Roxburgh, Plants of the coast Coromand. II, Taf. 168; Bentley u. Trimen, Taf. 236; Luerssen, Handb. der syst. Bot. IL, 746; Karsten, Deutsche Flora 589; Wittstein, Pharm. 370.

Drogen und Präparate: Kamala. Ph. germ. 152; Ph. austr. (D. A.) 81; Ph. hung. 257; Ph. ross. 194; Ph. helv. 71; Ph. suec. 258; Ph. Neerl. 139; Brit. ph. 167; Ph. U. St. 188; Flückiger, Pharm. 232; Flückiger and Hanb., Pharm. 572; Hist. d. Drog. IL, 328; Berg, Waarenk. 457; Berg, Atlas, Taf XLIX, 135.

Siehe auch Hager, Pharm. Prax. II, 307.

Tafelbeschreibung:
A männlicher, B weiblicher Blüthenzweig in nat. Grösse; 1 Theil des männlichen Blüthenstandes, îinzelnes Blüthchen, nat. Grösse; 3 dasselbe vergrössert; 4 Staubgefässe, desgl.; 5 Pollen, desgl.; 6 weiblicher Blüthenthenstancl, desgl.; 7 weibliche Blüthe ohne Hülle, desgl.; 8 Fruchtkapsel, desgl.; 9 Same, desgl.; 10 Haarbüschel, desgl.; 11 Drüsen, desgl. Nach einem uns gütigst von Herrn Professor Flückiger bersendeten Exemplare von W. Müller gezeichnet.

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